27.02.2011

GfA Fail

Ich bin gestern Abend für einen anderen Post mal wieder auf der Seite der "Gesellschaft für Anthropologie"  (GfA) gewesen und dachte mir, dass diese Sache einen eigenen Post verdient.


Zunächst aber eine ganz kurze Vorgeschichte meiner Erfahrungen mit der GfA:
Ich war im September 2009 auf der Tagung der GfA und habe dort eine sehr verstörende Erfahrung gemacht, als es um die Debatte ging, ob und wie die GfA etwas zur Kreationistendebatte beitragen soll (den Verlauf der Diskussionn und meine Einschätzungen hierzu, kann man hier nachlesen).


Nun, wie ich gestern festgestellt habe, ist das Statement draußen, wie lange es schon draußen ist, weiß ich nicht, da ich die Seite nicht regelmäßig besuche. Was mich jedoch verwundert, ist dass das Statement eigentlich gar nicht von der GfA ist. Das hier einzusehende Dokument stammt nämlich von der „American Anthropological Association“ (AAA) und wurde mit freundlicher Genehmigung dieser auf der Homepage der GfA zur Verfügung gestellt. So nebenbei, dass ist die selbe AAA die im letzten Herbst den Begriff „Science“ aus ihrem Grundsatzprogramm entfernt hat ( Mehr zu diesem Thema: siehe  hier bzw, hier). Das disqualifiziert natürlich nicht gleich den Text, der an sich ganz in Ordnung ist, auch wenn er für mich sehr weichgespült klingt, mich stört etwas anderes:


Mich stört die Tatsache, dass anscheinend niemand in der GfA in der Lage ist, ein vernünftiges Statement zu dieser Problematik abgeben zu können oder abgeben zu wollen. Wie kann dies sein in dem Dachverband der Wissenschaft die sich zum Ziel gesetzt hat „Die Evolution des Menschen in Raum und Zeit“ zu untersuchen?


Auch hier kann ich wieder auf meine eigenen Erfahrungen zurückgreifen: Der Vorstand der GfA besteht zu großen Teilen aus Leuten, die keine direkte biologische Ausbildung genossen haben und deren Forschungsgegenstand sehr wenig mit evolutionsbiologischen Fragen zu tun hat. Man kann also sagen, dass im Grunde keine Kompetenz für diese Fragen vorhanden ist. 1982 hat Christian Vogel genau diese Dinge angeprangert (eine kurze Zusammenfassung des Artikels gibt es hier) und fast 30 Jahre nachdem sein Appell veröffentlicht wurde hat sich praktisch NICHTS getan, es ist sogar noch schlimmer geworden.
Die Personen, die theoretisch etwas zu diesen Dingen sagen könnten, sind auf Abstand zur GfA gegangen und ich kann vollkommen verstehen warum sie das getan haben.
Man braucht sich an dieser Stelle wirklich nicht mehr zu wundern, dass ein Fach, das als biologische Disziplin seine Kerntheorie verleugnet, zur Bedeutungslosigkeit verdammt ist.

Ein weiterer Punkt, den die GfA nicht zu beachten scheint, ist dass es signifikante Unterschiede zwischen der deutschen „Anthropologie“ und der U.S. amerikanischen „Anthropology“ gibt. Beinhaltet erstere lediglich den biologischen Teil der Anthropologie, so enthält letztere unter anderem noch die Ethnologie, die Kulturanthropologie, die Archäologie und noch eine ganze Reihe weiterer Teildisziplinen. Zudem ist das Statement der AAA auf die Situation in den USA zugeschnitten und nicht auf die Situation in Deutschland. Bis zu einem gewissen Grade vergleiche ich hier also Äpfel mit Birnen.




In einigen englischsprachigen Blogs haben in letzter Zeit einige Autoren etwas darüber geschrieben, was sie an der Anthropologie lieben. Das ist ein Thema, das eines eigenen Posts bedürfte und das ich auch ehrlich gesagt nicht komplett für mich beantworten kann. Was jedoch einen großen Teil meiner Leidenschaft für dieses Fach ausmacht, sind seine evolutionsbiologischen Aspekte und es macht mich regelrecht Wahnsinnig, wie würdelos diese Dinge von der GfA behandelt werden.
Man muss sich das mal vorstellen: Eine Wissenschaft, die sich unter anderem mit einigen der wichtigsten Fragen überhaupt auseinandersetzt („Wo kommen wir her?“. „Was ist der Mensch?“ „Was ist die ‚Natur’ des Menschen?“) schmeißt diese Fragen über Bord um stattdessen Erfüllungsgehilfe für die Archäologie zu werden, wenn diese mal wieder wissen wollen was für Knochen sie denn ausgegraben haben.*
Statt dass man Diskussionen über die Evolutionären Ursprünge des Menschen und die Implifikationen der Evolutionstheorie für aktuelle Fragestellungen führt, sieht der Alltag eines Anthropologiestudenten eher folgendermaßen aus:.
Ein Kumpel von mir, der Ethnologie im Hauptfach studiert, kann in seinen Ethnologieveranstaltungen kaum das Wort „Soziobiologie“ in den Mund nehmen.
In den Psychologieseminaren die ich besucht habe, haben die Leute irgendwann die Augen verdreht wenn ich mal wieder mit irgendeinem Affenbeispiel gekommen bin um auf die evolutionären Ursprünge bestimmter Verhaltensweisen hinzuweisen.
Einige der Leute mit denen ich studiere haben keine Ahnung von Evolutionsbiologie, zum einen weil sie es nicht interessiert (was ja vollkommen in Ordnung ist) und zum anderen, weil es bei uns möglich ist sein Studium durchzuziehen ohne sich ein einziges Mal tatsächlich in einer Lehrveranstaltung mit diesen Dingen auseinandergesetzt zu haben.
Und zu guter letzt, die Personen, die in Deutschland die Evolutionstheorie in der Öffentlichkeit darstellen, kriegen es kaum gebacken die Evolution des Menschen vernünftig darzustellen. Stattdessen kommen sie mit veraltetem Kram wie „fossile Zwischenformen“ oder „Schimpansenähnlichen Vorfahren“ und zeichnen ein komplett falsches Bild von unserer Stammesgeschichte.

Die GfA hatte mit ihrem Statement nicht nur die Chance einen eigenen Standpunkt innerhalb der Debatte zum Kreationismus darzustellen. Sie hatte auch die Gelegenheit zu zeigen, wie und warum Anthropologie heutzutage wichtig sein kann, und dass Anthropologen einen wichtigen Beitrag zu vielen modernen Fragen leisten können.
Diese Gelegenheit wurde verpasst und stattdessen hat sie ein Beispiel für die eigene Unfähigkeit präsentiert.

Die Anthropologie in Deutschland ist auf dem besten Wege zu einer deskriptiven, atheoretischen und auch abiologischen "Wissenschaft" zu werden die letztendlich ein Hort für Personen sein wird, die in ihren eigenen Wissenschaften (Medizin, Pädagogik, Psychologie etc.) keinen Platz gefunden haben und ich habe kein Interesse daran, mich von einem solchen Verband vertreten zu lassen.
Aber dies alles wird der GfA Vorstand und vermutlich auch ein großer Teil der Mitglieder (so es sie denn überhaupt interessiert) natürlich anders sehen. Auf der diesjährigen Tagung wird sich wahrscheinlich wieder ob der eigenen Wichtigkeit, die irgendwie keiner mitkriegt, um den Bauch gepinselt und gesagt, dass man ja etwas getan hätte. Dass sie stattdessen eine Bankrotterklärung abgegeben haben und die Kreationistendebatte Dogmatikern wie Herrn Kutschera überlassen, wird ihnen wahrscheinlich nicht in den Sinn kommen.



Ich habe durch meine Erfahrungen mit der GfA vor allem eines gelernt. Man darf sich nicht auf wissenschaftliche Verbände verlassen, dass eigene Fach bzw. das was einem wichtig ist zu definieren und zu verteidigen. Wenn einem, bestimmte Aspekte eines Faches wichtig sind, dann muss man selbst alles dafür tun sie zu bewahren und andere Personen davon zu überzeugen, dass es wichtig ist sich für sie einzusetzen.


* Die soll keine Geringschätzung der Archäologie oder der prähistorischen Anthropologie sein. Allerdings bin ich der Meinung das Anthropologie mehr kann, als Alters- Geschlechts und Pathologiebestimmung.



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