13.11.2009

Wieviel Mensch steckt im Schimpansen?

Ich habe vor einigen Tagen einen Vortrag von Volker Sommer mit dem Titel "Menschenaffen wie wir. Unsere wilde Verwandtschaft" gehört.


Nun warum schreibe ich jetzt hier etwas darüber? Nun, dass hängt mit einer Forderung zusammen, die Herr Sommer stets in seinen Auftritten äußert. Er ist nämlich der Meinung, dass man Schimpansen und wahrscheinlich auch Bonobos (auch wenn er dazu nichts gesagt hat) zur Gattung Homo hinzunehmen sollte. Die Schimpansen und Bonobos sind momentan noch in ihrer eigenen Gattung "Pan".
Die Gründe warum er diese Forderung äußerst sind folgende, zum einen ist die genetische Distanz zwischen Schimpanse (ich rechne die Bonobos hier einfach mal rein) und Mensch nicht besonders große, sie liegt irgendwo bei 98% wenn ich mich richtig erinnere. Zudem sind Schimpansen in ihrem ganzen Verhalten und in ihren Kognitiven Fähigkeiten so Menschenähnlich, dass es enorm schwierig ist das "speziell menschliche" an unserem Verstand zu finden.
Ihm zufolge sei die Trennung von Mensch und Schimpanse in zwei Gattungen auch Ausdruck der menschlichen Geisteshaltung in irgendeiner Form "besonderer" zu sein als andere Tiere. Es wird einfach willkürlich eine Grenze zwischen Mensch und Tier gezogen, obwohl dies keinerlei biologische Grundlage besitzt.


Im Grunde genommen, stimme ich mit der Analyse von Herrn Sommer überein, es gibt keine wirklichen biologischen Gründe für eine Trennung von Tier und Mensch, ganz einfach aus der Tatsache, dass wir ebenso wie alle anderen Organismen auf der Welt einen gemeinsamen biologischen Ursprung haben. Na gut, ich persönlich finde an dem Statement "Ich bin ein Menschenaffe", mit der Herr Sommer immer seine Vorträge beginnt, jetzt nichts wirklich revolutionäres, es ist ganz einfach die Konsequenz aus unserer biologischen Systematik.
Nein, was mich stört, ist seine Forderung die Schimpansen und den Menschen in eine Gattung zu werfen.


Taxonomie, so nennt sich das Wissenschaftsfeld was sich mit der systematischen Einordnung und Definition von Lebewesen befasst, ist ein äußerst schwieriges Feld. Es gibt keine wirkliche einheitliche Definition was eine Art (die kleinste taxonomische Einheit) oder gar eine Gattung eigentlich ist. Es gibt lediglich Definitionen die mal mehr, mal weniger wissenschaftlich sind. Welche jedoch letztendlich benutzt wird, hängt mit der Vorliebe des Taxonomen für eine bestimmte biologische Systematik zusammen.


Es wird sich in der Paläoanthropologie bereits heftig gestritten, wo denn überhaupt die Gattung "Homo" beginnt und welche Kennzeichen sie überhaupt besitzt. Jedoch geht es hierbei eher darum, die Gattung "Homo" zu beschränken, als darum sie auszubauen.
Das größte Problem an einer Erweiterung der Gattung „Homo“ ist, dass man bei einer so weit gefassten und morphologisch so diversen Gattung, wie man sie dann hätte, noch größere Schwierigkeiten mit einer vernünftigen Definition bekäme als man sie ohnehin schon hat, ganz einfach, weil man kaum gemeinsame Merkmale finden könnte.


Ich habe nach dem Vortrag auch meine Bedenken diesbezüglich geäußert und auch gefragt, wie er denn die Gattung "Homo" dann definieren würde. Die Antwort war, dass es ja ohnehin keine vernünftige Gattungsdefinition gäbe und man in diesem Zusammenhang ja auch die politische Komponente bedenken müsste, die die praktische überwiege.


Mein Gedanke dazu ist nur: Wenn es keine wissenschaftlich befriedigende Definition der Gattung "Homo" gibt, so ist es kein Grund, einfach eine andere ebenso wenig wissenschaftliche Definition zu benutzen, die zudem keine wissenschaftliche Begründung besitzt sondern eine politische bzw. psychologische. Vielmehr sollte man zusehen, dass man es endlich mal fertigbringt eine vernünftige Definition aufzustellen, die der Diversität der Gattung Homo in früherer Zeit gerecht wird, gleichzeitig aber auch stringent genug ist, damit nicht jedes Vieh dort hineingenommen wird.
Ein weiteres Problem wäre, dass man dann möglicherweise dann nicht beim Schimpansen aufhören könnte, denn auch  andere (den Kommentar lesen, nicht den Text!) Menschenaffen sind in ihren kognitiven Fähigkeiten schon sehr "Menschenähnlich" und da wir bereits für die Erweiterung auf den Schimpansen psychologische Gründe anführen, könnten wir das auch dann gleich für Gorillas und Orang-Utans mitmachen.


Das ganze ist hier jetzt kein Plädoyer für die "Sonderstellung" des Menschen, vielmehr ist es das Gegenteil. Für mich sind alle Organismen vollkommen gleichwertig, was ihre Position und Definition in der biologischen Systematik angeht. Und da dieses System vollkommen frei von Wertungen ist, sollte man auch so mit Ihm umgehen und aufhören ein Politikum aus diesen Dingen machen zu wollen.
Es wäre vielleicht einfach mal an der Zeit, das Podest auf dem wir uns angeblich befinden abzubauen, anstatt es mit immer mehr Tieren vollzustellen.