22.11.2011

Affen online -Das digital morpholgy museum

Ich bin wirklich ein Freund von Datenbanken (wie z.B. der Nespos Datenbank) in denen man Zugriff auf CT-Scans von Fossilien und rezenten Primaten bekommt. Was mich jedoch immer wieder stört, ist dass diese nicht vollkommen frei zugänglich sind und häufig auch noch Geld kosten, wenn man sich dort anmelden will.
Ich finde das schade, weil diese Datenbaken auch eine Gelegenheit bieten, dass sich Schulklassen mit diesen Dingen auseinandersetzen könnten und vielleicht einen Einblick bekommen könnten, wie man vergleichend morphologisch arbeitet.

Aus diesem Grunde habe ich micht wirkich gefreut als ich vor ein paar Tagen auf Lawn Chair Anthropology einen Link zum „Digital Morphology Museum“ der Universität Kyoto gefunden habe. Dort kann man sich CT-Scans von einer ganzen Reihe von Primaten ansehen und, nachdem man sich registriert hat, diese kostenlos herunterladen.

Im Moment bin ich noch am überlegen, was man denn schönes mit dieser Datenbank machen könnte. Vielleicht irgendeinen einen Online Kurs? Ich werde mir mal was einfallen lassen.


Wer sich die Datenbank mal selber ansehen möchte, kann dies hier gerne tun.

16.11.2011

Ganz schön viele Bäume hier...

Personen die meine Seite regelmäßig lesen (ich habe gehört solche Menschen soll es tatsächlich geben) und sich nicht nur meine Einlassungen über eigentlich nicht existente Debatten ansehen haben vielleicht festgestellt, dass ich in letzter Zeit relativ viel mit irgendwelchen phylogenetischen Stammbäumen herumhantiert habe.
Das ist zum einen vielleicht nicht so überraschend, bedenkt man dass taxonomische Fragestellungen ein Schwerpunkt dieses Blogs geworden sind. Zum anderen hat dies aber auch damit zu tun, dass ich momentan dabei bin meine Magisterarbeit vorzubereiten (an dieser Stelle bitte laut jubeln).
In dieser Arbeit geht es, wie könnte es anders sein, um phylogenetische Stammbäume. Über das genaue Thema werde ich jetzt allerdings noch nichts schreiben, da ich es selber demnächst noch richtig ausformulieren möchte. Wer allerdings im groben wissen möchte worum es geht, dem empfehle ich die Kommentare unter diesem Post zu lesen, das Thema befindet sich in einem der Kommentare.
Ich habe vor, den Prozess der zum Entstehen meiner Magisterarbeit führt in diesem Blog relativ umfangreich zu begleiten. Zum einen, weil es vielleicht ganz interessant ist zu sehen, wie eine solche Arbeit entsteht und welche Fehler man machen kann (und ich gehe mal davon aus, dass ich welche machen werde). Auf der anderen Seite möchte ich den Blog nutzen um einige meiner Ideen die mir während der Arbeit kommen hier darzustellen, das zwingt mich nämlich dazu diese auszuformulieren und mich besser mit den betreffenden Themen auseinanderzusetzen.

Außerdem bin ich in dieser Woche im Senckenbergmuseum auf einer Tagung über das Eozän. Ich werde allerdings sehr wahrscheinlich nur am Freitag die ganze Zeit dort sein, da ich im Moment mit den Vorbereitungen meiner Arbeit zu tun habe und ich zudem ohnehin nur Ahnung von Primaten habe.
Natürlich wird es am Freitag hauptsächlich um "Ida" gehen und nach den Abstracts zu urteilen, würde ich mal sagen, dass die Diskussionen sicherlich sehr "interessant" werden dürften.

09.11.2011

Unsere Verwandtschaft zu den Menschenaffen und was es da so an Schwierigkeiten gibt

Sich mit taxonomischen Fragestellungen auseinanderzusetzen ist in aller Regel eine ziemlich undankbare Aufgabe. In irgendeiner Art und Weise tritt man immer irgendjemanden auf die Füße und in aller Regel dauert es nicht sonderlich lange, bis dieser jemand irgendetwas findet, was an den eigenen Ergebnisse nicht so ganz stimmig ist.
Das übliche Argument was kommt, ist dass die gefundenen Gemeinsamkeiten zwischen zwei, oder mehreren Arten, auf Parallelentwicklungen beruhen und daher nicht die tatsächlichen Verwandtschaftsverhältnisse widerspiegeln. Dieses Argument kommt praktisch immer, wenn eine Studie zu den phylogenetischen Beziehungen zwischen großen Menschenaffen, fossilen Menschenformen und dem modernen Menschen publiziert werden, bzw. wenn irgendein neues Fossil gefunden wurde.
Die Morphologie hat in der Tat einen schweren Stand wenn es um dieses Problemfeld geht, da sie in schöner Regelmäßigkeit daran scheitert die Ergebnisse molekulargenetischer Studien zu diesem Thema zu reproduzieren (siehe Wood und Collard, 2002, Strait und Grine, 2004 sowie Wood und Harrison, 2010).

Stammbaum zu den phylogenetischen Verwandtschaftsverhältnissen zwischen afrikanischen Mernschenaffen und Menschen nach molekulargenetischen Erkenntnissen.


Die Konsequenz aus dieser Problematik ist dass Verwandtschaftshypothesen die auf diesen Merkmalen beruhen schon von vorneherein mit enormer Skepsis begegnet wird. Dies ist vor allem deshalb relativ problematisch, da man auf morphologische Merkmale angewiesen ist, wenn es darum geht fossile Formen taxonomisch richtig zuordnen zu können.
Doch haben diese Schwierigkeiten, tatsächlich etwas mit parallelen Entwicklungen zu tun, oder können diese auch woanders begründet sein?

Um diese Frage beantworten zu können, stellen wir uns erstmal eine Modellpopulation „P“ vor.




1. In dieser Population gibt es eine Reihe von Merkmalen, die extrem polymorph sind, d.h. sie können in mehr als einer „Ausführung“ innerhalb der Population vorkommen. Um das ganze übersichtlich zu halten, betrachten wir hier allerdings nur zwei Merkmale.

Das erste Merkmal hat entweder die Zustände "+" oder "-" 
Das zweite Merkmal hat entweder die Zustände "Kreis" oder "Quadrat" (ich bin leider zu inkompetent um hier die Symbole hierfür einzufügen)



2. Nun spaltet sich eine Subpopulation, nennen wir sie „P1“ von der Hauptpopulation ab.



3. Kurz nachdem sich P1 abgespaltet hat, spaltet sich nun der Rest von „P“ in zwei weitere Subpopulationen „P2“ und „P3“ auf.



Wenn wir uns das Abspaltungsmuster betrachten, erkennen wir, dass P2 und P3 näher miteinander verwandt sind, da sich ihre Linien erst getrennt haben, nachdem sich P1 abgespalten hat. Wenn wir jetzt allerdings nicht dabei waren als sich die Populationen aufgespaltet haben, was quasi immer der Fall ist, wenn wir uns reale Verwandtschaftsverhältnisse ansehen, so sind wir auf die Merkmale angewiesen um einen phylogenetischen Baum rekonstruieren zu können. Das Problem in unserem Falle ist jedoch, dass die Merkmale die uns zur Verfügung stehen kein klares Signal aussenden. Stattdessen unterscheiden sich die Verwandtschaftshypothesen je nach Merkmal das ich betrachte.
Um es noch mal deutlich zu sagen, dieser Zustand ist nicht durch konvergente Evolution entstanden, sondern einfach das schnelle Aufspalten einer polymorphen anzestralen Population
Dieses Phänomen nennt sich unvollständiges „lineage sorting“. Interessanterweise finden sich in der DNA von Gorilla Schimpanse und Mensch eine Reihe von Hinweisen auf dieses Phänomen.
In einer Untersuchung von Satta und Kollegen (2000) sprachen insgesamt 40% der untersuchten Loci entweder für eine Schimpanse-Gorilla, eine Mensch-Gorilla oder eine Mensch-Gorilla-Schimpanse Trichotomie (alle drei Spezies haben sich gleichzeitig aufgespaltet). Genauso fanden sich in einer Arbeit von Salen und Kollegen (2003) ziemlich klare Hinweise auf unvollständiges lineage sorting.

In aller Regel ist diese ganze Geschichte eher ein Problem bei molekulargenetischen Arbeiten, und wird bei morphologischen Studien nicht wirklich bedacht. Hauptsächlich, weil es quasi nicht möglich ist, herauszufinden wie polymorph die anzestrale Population auf phänotypischer Ebene tatsächlich war. Ich persönlich denke aber, dass man diese Sache zumindest im Hinterkopf behalten sollte. Vor allem, wenn man sich betrachtet wie Polymorph unsere eigene Spezies auf morphologischer Ebene in der Vergangenheit war. Schließlich müssen wir, den Studien von Green et al (2010) sowie von Reich et al (2010) sei dank mittlerweile mindestens den Neandertaler, wenn nicht gar noch Homo heidelbergensis in unsere Spezies miteinschließen. Ich denke dieses Beispiel zeigt ganz gut, wie divers einzelnen Vertreter einer Spezies aussehen können, ohne dass ihre Fähigkeit sich miteinander zu kreuzen großartig eingeschränkt wäre. Ähnliches könnte ja auch für die anzestrale Population von Gorilla, Schimpanse und Mensch gegolten haben.

Welche Auswirkungen hat dies alles nun für Stammbaumrekonstruktionen, abseits davon, dass es einen weiteren Unsicherheitsfaktor gibt? Ich denke, die wichtigste Konsequenz aus dieser Sache ist, dass wir nicht in der Lage sind Aussagen über die „Qualität“ einzelner Merkmale oder Merkmalskomplexe treffen zu können. Selbst wenn die untersuchten Merkmale im Allgemeinen so komplex sind, dass es relativ unwahrscheinlich ist, dass die gleichen Merkmale zweimal unabhängig voneinander entstanden sind, so könnten sie immer noch durch unvollständige lineage sorting beeinflusst worden sein. Dies ist in der Studie von Salen et al. (2003) der Fall gewesen, die Merkmale untersucht haben, bei denen es nahezu unmöglich ist, dass diese zweimal unabhängig voneinander bei zwei nahe Verwandten Arten entstanden sein könnten.
Ich persönlich will nicht die Möglichkeit ausschließen, dass es innerhalb der Evolution der großen Menschenaffen zu Parallelentwicklungen gekommen ist. Doch sollte man vielleicht vorsichtig sein und ganze Kolonnen von Merkmalen deshalb als untauglich zu deklarieren nur weil sie nicht in der Lage waren, die „richtige“ Phylogenie zu rekonstruieren. Wir wissen, dass es bei der Aufspaltung der Linien von Gorilla, Schimpanse und Mensch zu unvollständigem Lineage sorting gekommen ist und auch wenn wir nicht wissen, wie stark der Phänotyp von diesen Sachen beeinflusst war, so sind wir nicht in der Lage, einfach davon auszugehen, dass dies einfach nicht der Fall war.
Vielleicht sollte man sich deshalb, anstatt auf morphologische Merkmale im Allgemeinen, auf die Merkmale konzentrieren die für die „richtige“ Phylogenie sprechen und untersuchen, inwiefern diese einen gemeinsamen Ursprung haben. Diese Merkmale könnte man dann auch mit relativer Sicherheit an fossilen Arten verwenden, ohne dass man sich großartig mit den üblichen, lästigen Problemen auseinandersetzen müsste.


Literatur:

Collard M, Wood B (2000). How reliable are human phylogenetic hypotheses? Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America, 97 (9), 5003-6 PMID: 10781112
Green, R. et al. (2010). A Draft Sequence of the Neandertal Genome Science, 328 (5979), 710-722 DOI: 10.1126/science.1188021
Reich, D.et al. (2010). Genetic history of an archaic hominin group from Denisova Cave in Siberia Nature, 468 (7327), 1053-1060 DOI: 10.1038/nature09710 
Salem, A. (2003). Alu elements and hominid phylogenetics Proceedings of the National Academy of Sciences, 100 (22), 12787-12791 DOI: 10.1073/pnas.2133766100
Satta Y, Klein J, & Takahata N (2000). DNA archives and our nearest relative: the trichotomy problem revisited. Molecular phylogenetics and evolution, 14 (2), 259-75 PMID: 10679159
Strait DS, Grine FE (2004). Inferring hominoid and early hominid phylogeny using craniodental characters: the role of fossil taxa. Journal of human evolution, 47 (6), 399-452 PMID: 15566946
Wood, B., Harrison, T. (2011). The evolutionary context of the first hominins Nature, 470 (7334), 347-352 DOI: 10.1038/nature09709

29.10.2011

Eine Debatte die keine sein sollte: -Meine Meinung zu Kreationismus und anderen Kuriositäten

Sich in der Debatte zum Kreationismus zu positionieren ist in meinen Augen unglaublich lästig, doch leider lässt sich dies heutzutage kaum vermeiden. Vor allem dann nicht, wenn man versucht einen Blog zu schreiben, der sich im weiteren Sinne mit der Evolution des Menschen beschäftigt.

Ich habe mich vor zwei Jahren relativ kurz zu diesem Thema geäußert doch habe ich mich bislang davor gescheut, einen kompletten Post zu diesem Thema zu schreiben. Der Hauptgrund hierfür ist, dass ich mir persönlich ein bisschen die Kompetenz abspreche, wirklich fundiert über dieses Thema schreiben zu können. Nun habe ich letztes Wochenende eine Email von einem Leser bekommen, die mich jetzt leider doch dazu zwingt, meinen Standpunkt etwas mehr zu verdeutlichen.
Ich will nicht wirklich auf die Mail selber, oder auf die (ziemlich kurze) Debatte die ich mit dem Absender führte eingehen. Vielmehr möchte ich darstellen, warum ich persönlich von der Allgemeinen Richtigkeit wissenschaftlicher Erkenntnisse überzeugt bin und warum es meiner Meinung nach nicht möglich ist, Wissenschaft und Religion miteinander zu vermengen. Das ganze stellt natürlich nur meine Meinung zu dem ganzen Thema dar und deshalb kann sie nicht stellvertretend für die gesamte Wissenschaft gelten. Deshalb kann es also gut sein, dass ich einige Aspekte vielleicht auch etwas unvollständig darstelle.


Ich werde meine Argumentation in drei Teile aufgliedern:


1. Warum Wissenschaft und Religion nichts miteinander zu tun haben


2. Wieso ich der Meinung bin, dass Wissenschaft verlässliche Erkenntnis produziert


3. Was hat das ganze mit der Kreationismusdebatte zu tun?


Beginnen wir gleich mit dem ersten Teil:

1. Warum Wissenschaft und Religion nichts miteinander zu tun haben
Den ersten Aspekt kann man auf zweierlei Art und Weise belegen. Zum einen können wir uns das ganze aus rein wissenschaftstheoretischer Sicht betrachten.
Um dies zu tun, müssen wir die Frage beantworten, was Gott, oder ein göttliches Wesen eigentlich ist. Hier kann man sicherlich wieder enorm viel debattieren, aber um die Sache möglichst einfach zu gestalten, halten wir einfach fest, dass ein göttliches Wesen eine allmächtige Entität ist die sich unserer direkten Wahrnehmung entzieht.
Die zweite Prämisse begründet sich praktisch aus der ersten, denn ein allmächtiges Wesen kontrolliert alle Aspekte unseres Seins, auch die die wir nicht wahrnehmen können. Wenn wir jetzt versuchen wollen die Welt wissenschaftlich erklären zu wollen, müssen wir nach dem Falszifikationsprinzip vorgehen (warum habe ich hier erklärt), denn nur so können wir wirklich sichere Erkenntnisse über die Welt gewinnen. Wenn wir jetzt aber versuchen wollen Geschehnisse in der Welt durch das wirken eines allmächtigen Wesens dessen Wirken wir nicht feststellen können zu erklären, so verlassen wir den Weg gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis. Denn wie will ich dieses Wirken herausfinden, wenn es nicht möglich ist?


Naturwissenschaften beschäftigen sich mit dem Bereich der Welt, der für unsere Wahrnehmung zugänglich ist und versucht für diesen Bereich Gesetze und Regeln zu finden. Die Frage ob es ein allmächtiges Wesen gibt, dass hinter diesen Gesetzen steht und das uns möglicherweise erschaffen hat, kann sie gar nicht beantworten, weil ihr dazu das Rüstzeug fehlt. Deshalb scheitern auch jegliche Versuche Gott mit wissenschaftliche Argumenten zu widerlegen, genauso wie Versuche Scheitern seine Existenz bzw. sein Wirken (was z.B. das Intelligent Design versucht) mit diesen Methoden zu beweisen.


In diesem Sinne kann man etwas plakativ formulieren:
„Gott ist in der Naturwissenschaft egal.“


Das heißt allerdings nicht, dass man, nur weil man Naturwissenschaftler ist, zum Atheisten wird. Die Naturwissenschaften kann nur keine Aussagen über die Existenz Gottes treffen und ist deshalb für religiöse Glaubensfragen vollkommen irrelevant. Wer also an Gott glaubt, kann dies gerne tun, so lange er nicht meint versuchen zu müssen religiöse Argumente in die Naturwissenschaften hineintragen zu wollen. Und wenn er dies tut, so sind seine Argumente von vorneherein zum Scheitern verurteilt, weil sie logisch falsch sind.


Kommen wir nun zu Punkt 2.

2. Wieso ich der Meinung bin, dass Wissenschaft verlässliche Erkenntnis produziert
Dieser Punkt ist vor allem deshalb wichtig, weil viele Personen, die wissenschaftlichen Erklärungsmodellen kritisch gegenüber stehen immer wieder auf bestimmte methodische bzw. theoretische Probleme hinweisen, um ihren eigenen Standpunkt, dass das alles ja ohnehin nicht so ganz stimmen kann, untermauern zu wollen.
Jedes Erklärungsmodell unserer Welt, ob es nun naturwissenschaftlich, oder metaphysisch ist, benötigt bestimmte Grundannahmen über den Aufbau der Welt um überhaupt auch nur irgendeine Form von Aussage treffen zu können. Hat es diese nicht, so beginnen sich seine Argumente ab einem gewissen Punkt im Kreis zu drehen.


Was sind also, zumindest meiner Meinung nach, die Grundannahmen eines naturwissenschaftlichen Weltbildes?

Die erste Annahme ist die, dass wir in einer Welt leben, die nach bestimmten Gesetzen aufgebaut ist.
-Gäbe es diese Annahme nicht, wären wir nicht in der Lage auch nur irgendeine Form von allgemeiner Regel aufstellen zu können.

Die zweite Annahme ist, dass wir in der Lage sind diese Gesetze grundsätzlich erkennen zu können.
-Wissenschaft ist ein Erkenntnisprozess, ohne die Möglichkeit Gesetze erkennen zu können, können wir auch keine Wissenschaft betreiben.


Aus diesen beiden Annahmen folgern sich für mich alle weiteren Aussagen die die Naturwissenschaften über unsere Welt treffen und sie ergeben auch nur in diesem Kontext einen Sinn. Die Frage ob ich z.B. an die Evolutionstheorie „glaube“ stellt sich daher nicht, da sie mir in dem von mir dargestellten Kontext als das Erklärungsmodell erscheint, was am plausibelsten erscheint.
Die „Glaubensfrage“ stellt sich in der Wissenschaft nicht auf der Ebene einzelner Theorien, sondern auf einer übergeordneteren Ebene, nämlich der, ob ich überhaupt davon überzeugt bin, ob die wissenschaftliche Methodik verlässliche Aussagen über unsere Welt treffen kann. Und nach allem was ich bislang gesehen und mitbekommen habe, bin ich von diesem Punkt überzeugt.
Ob wir mithilfe der Naturwissenschaften alle Aspekte unsere Lebens beleuchten und erklären können, vermag ich nicht beantworten zu können. Leider wird es niemals *ping* machen und die Meldung erscheinen „Herzlichen Glückwunsch, sie haben alles auf der Welt erfahren was es zu erfahren gibt!“ Oder um es mit Gerhard Vollmer (1974) zu sagen:

"Der Grad der Übereinstimmung der von der theoretischen Erkenntnis rekonstruierten Welt mit der wirklichen Welt bleibt uns unbekannt, auch dann, wenn er vollkommen ist."


(aus: Vollmer G. (1975). Evolutionäre Erkenntnistheorie. Hirzel, Stuttgart, Leipzig. S. 137.)


Kommen wir nun zum letzten Punkt:


3. Was hat das ganze mit der Kreationismusdebatte zu tun?
Aus Annahme 1 folgt, dass sämtliche „Theorien“ die versuchen „wissenschaftlich“ das wirken Gottes in der Evolution oder bei der Entstehung der Welt belegen zu können, nicht zulässig sind, da sie einen logischen Kategorienfehler begehen und zudem auch noch die üblichen Kriterien einer wissenschaftliche Theorie verletzen. Gleichzeitig bedeutet dies jedoch auch, dass ein Naturwissenschaftler niemals in der Lage ist mit rein naturwissenschaftlichen Argumenten die Existenz eines allmächtigen Wesens bestätigen oder widerlegen zu können, da er den gleichen Kategorienfehler, nur von der anderen Seite aus, begehen würde.


Punkt 2 führt auf, dass das akzeptieren einer bestimmten wissenschaftlichen Theorie keine „Glaubensfrage“ ist, sie ergibt schlicht und ergreifend aus den Bedingungen die ein naturwissenschaftliches Weltbild mit sich bringt. Nicht an sie zu „glauben“ bedeutet daher, alle anderen wissenschaftlichen Erklärungsmodelle zum Aufbau der Welt infrage zu stellen, weil alle auf den gleichen Grundannahmen beruhen. Tue ich dies, verlasse ich den Raum in dem die Naturwissenschaft in der Lage ist verlässliche Aussagen zu treffen und falle daher wieder unter Punkt 1.


Für die Debatte mit dem Kreationismus bedeutet dies, dass keine der von dieser Bewegung dargebotenen Erklärungsmodelle wissenschaftlichen Kriterien entspricht und daher nicht auf wissenschaftlicher Ebene diskutiert werden kann. Es macht auch wenig Sinn in einer solchen Debatte mit bestimmten wissenschaftlichen Beweisen zu kommen, da diese im Rahmen dieser Debatte keinen Platz haben. Einer Person die grundsätzliche Zweifel an der Richtigkeit wissenschaftlicher Erkenntnisse hat, kann ich nicht mit wissenschaftlichen Begründungen kommen um sie vom Gegenteil zu überzeugen.
Das einzige, was meiner Meinung nach ein vernünftiger Ansatz wäre, wäre aufzuzeigen, dass sich wissenschaftliche und metaphysische (also u.a. auch religiöse) Weltbilder im Grunde genommen nicht ins Gehege kommen. Beide gehen von vollständig unterschiedlichen Prämissen aus und es gibt daher auch keinen Grund für einen Konflikt. Konflikte zwischen Wissenschaft und Religion entstehen erst dann, wenn eine Seite versucht ins „Kompetenzfeld“ der anderen vorzudringen. Dies ist allerdings, wie ich aufgezeigt habe, logisch nicht zulässig.
Das ganze in einer reellen Debatte zu tun ist natürlich schwierig, weil die Ebene auf der man diskutieren muss eine philosophische ist und man zuvor im Grunde genommen eine große Anzahl an Aspekten und Grundannahmen erklären müsste, um dies auch vernünftig durchführen zu können.
Deshalb werden solche Debatten in der Realität auch äußerst selten auf diese Art und Weise geführt, zumindest habe ich noch nie einen solchen Austausch gesehen. Was ich stets sehe sind Personen die eigentlich ständig aneinander vorbeireden. Das hat vielleicht auch einfach damit zu tun, dass die Öffentlichkeit selbst eher ein Interesse an der Kontroverse und an möglichst heftigen Debatten hat und daher immer nur den Personen ein Forum gibt, die am lautesten schreien. Nur leider sind diese Personen häufig nicht die kompetentesten, wenn es um solche Fragen geht.


Das ist jedenfalls meine Meinung zu dem ganzen Thema. Ich denke man kann an der Länge des Posts erkennen, wie schwierig es mir fällt etwas zu der Sache zu schreiben. Wenn es nach mir ginge, müsste man überhaupt nichts zu diesem Thema sagen, weil sich diese ganzen Fragen im Grunde genommen gar nicht stellen sollten. Ich hoffe trotzdem, dass einige meiner Argumente dazu beitragen können, diese Diskussion in einem etwas besserem und vor allem, gelassenerem Licht zu betrachten.
Mich würde an dieser Stelle natürlich interessieren, wie andere Personen diese ganze Debatte sehen. Mir ist klar, dass ein solcher Post auch zu eher unangenehmen Debatten führen können, doch bin ich an dieser Stelle bereit das Risiko einzugehen.

28.09.2011

Wohin mit Australopithecus sediba?

Ich habe ziemlich lange überlegt, was genau ich mit Australopithecus sediba anfangen soll und wie ich das Fossil in dem Blog behandeln möchte. Letztendlich kam ich zu den Schluss, dass ich bei dem bleiben sollte, was ich im Moment ganz gut kann: Taxonomie. Ich musste für mein Studium in letzter Zeit ein paar Stammbäume rekonstruieren und habe dabei herausgefunden, wie man dies relativ einfach und ohne großen finanziellen Aufwand erledigen kann. Man bedient sich einfach an den Freewareprogrammen von Genetikern. Zwar sind diese nicht perfekt für morphologische Merkmale zugeschnitten und man muss eine Reihe von Sachen bedenken und bearbeiten (was alles genau erzähle ich ein anderes Mal), aber man kann sich relativ schnell einen Überblick über ein bestimmtes taxonomisches Problem verschaffen. Und genau dies habe ich mit Australopithecus sediba gemacht





Phylogenetischer Stammbaum (aus Strait et al., 1997) ohne Australopithecus sediba:



Strait et al. (1997)

Hier nun ein phylogenetischer Stammbaum der mit der gleichen Merkmalsmatrix erstellt wurde, nur dass ich noch Merkmale von Australopithecus sediba (aus Berger, 2010) eingefügt habe:




Gleiche Merkmale nur dieses Mal mit A. sediba.

Das zweite Bild spiegelt genau das wider, was für über die Position von Australopithecus sediba wissen. Was zuvor eine, zumindest im Stammbaum, schöne Auflösung der Verwandtschaftsverhältnisse innerhalb der Gattung Homo war, ist nur zu einer hässlichen Multifurkation kollabiert, die aufzeigt, dass das Programm nicht in der Lage war, diese Äste vernünftig aufzulösen. Das Fossil hängt also irgendwo zwischen den frühsten Vertreter der Gattung Homo und Homo erectus/ergaster.
Die taxonomische Position von Homo habilis und Homo rudolfensis war schon immer nicht wirklich klar. Homo rudolfensis selbst ist aus dem Problem entstanden, dass die Fossilien die man alle zu Homo habilis zählte zu variabel waren, als das man sie guten Gewissens in eine einzige Spezies hätte packen können. Also wurde das „Hypodigma“ (Sammlung aller Fossilien die einer Spezies beschreibt) von Homo habilis in zwei Spezies aufgeteilt, ich werde jetzt allerdings nicht näher auf die einzelnen Merkmale eingehen, das würde einfach zu lange werde.

Um zurück zu Australopithecus sediba zu kommen, das Fossil bringt dieses ganze Problemfeld noch mehr durcheinander, da es, wie wir sehen konnten, sehr nah mit den frühsten Vertretern von Homo verwandt ist, aber auch weil es nur 1,9 Mio. Jahre alt ist.
Das ist deshalb problematisch, weil von Homo habilis und Homo rudolfensis Funde bekannt sind, die weit über 2 Mio. Jahre alt sind und von Homo ergaster/erectus gibt es Funde die nur einen Bruchteil jünger sind als die sediba Fossilien. Wenn man jetzt noch bedenkt, dass man bereits bei 1,7 Mio. Jahren menschliche Fossilien in Georgien findet, kann man gut erkennen wie verworren diese ganze Geschichte ist.
Aber werfen wir doch mal einen Blick auf die einzelnen möglichen Verwandtschaftsbeziehungen die Australopithecus sediba und die Vertreter der Gattung Homo haben könnte.




A. sediba außerhalb der Gattung Homo


Hier würde Australopithecus sediba einen letzten gemeinsamen Vorfahren mit der Gattung Homo teilen. Das einzige Problem, was man hätte, wäre dass man die zu Homo habilis und Homo rudolfensis zählenden Fossilien die älter als 2 Mio. Jahre sind möglicherweise neu klassifizieren müsste.


Alle weiteren Alternativen ruinieren mehr oder weniger das, was wir bisher unter der Gattung Homo verstehen:





Mögliche Verwandtschaftsverhältnisse, wenn  A. sediba innerhalb der Gattung Homo läge (Auszüge).


Egal welche Hypothese wir betrachten, die Gattung Homo ist in keiner von diesen monophyletisch. Das bedeutet, das man entweder Australopithecus sediba in die Gattung Homo aufnehmen sollte, was schwierig werden könnte, weil es die Gattungsdefinition von Homo noch weiter aufweichen würde. Oder aber, das wir Homo habilis und Homo rudolfensis aus der Gattung Homo herausnehmen.
Ich persönlich weiß nicht wirklich was man machen sollte, ich denke es braucht weitere Untersuchungen und weitere Funde um dieses Problem besser lösen zu können. Was man jedoch sagen kann ist, dass die Entstehung der Gattung Homo aller Wahrscheinlichkeit nicht gradualistischer Natur war.
Vielmehr glaube ich, dass wir es hier mit einer Reihe von, möglicherweise unabhängig voneinander ablaufenden, Speziationsereignissen zu tun hatten. Dies würde erklären, warum in diesem Zeitraum so viele Formen auftreten, die sich zwar ähnlich sind, sich aber zeitlich und räumlich überschneiden und deren taxonomische Zugehörigkeit nicht eindeutig zu klären ist. Es gibt auch weitere Gründe die für diesen Gedanken sprechen, aber darüber werde ich beim nächsten Mal etwas schreiben.

 Literatur:
 

Berger, L., de Ruiter, D., Churchill, S., Schmid, P., Carlson, K., Dirks, P., Kibii, J. (2010). Australopithecus sediba: A New Species of Homo-Like Australopith from South Africa Science, 328 (5975), 195-204 DOI: 10.1126/science.1184944
Strait, D., Grine, F., Moniz, M. (1997). A reappraisal of early hominid phylogeny Journal of Human Evolution, 32 (1), 17-82 DOI: 10.1006/jhev.1996.0097

26.09.2011

Zurück aus Leipzig.

So, die Tagung ist vorbei und nach einer langen und sehr merkwürdigen Zugreise, zuerst gab es einen „Personenunfall“ auf der Strecke und dann hat noch jemand seinen Rucksack in einem Abteil vergessen (seit 10 Jahren scheint dies ja ein ganz schlimmes Problem zu sein), bin ich seit gestern Abend wieder Zuhause.




Es ist schwer genau zu sagen, was mir gefallen hat und was nicht, denn die ganze Tagung war für mich voller neuer Erfahrungen und Eindrücke. Was mich zuerst überrascht hat war, dass ich einfach zuwenig Ahnung von den Sachen über die dort gesprochen wurden hatte. Zugegeben, die Themen von denen ich etwas mehr Ahnung habe wurden lediglich angeschnitten, aber trotzdem habe ich im Vorfeld schon gedacht, dass ich etwas aktiver sein könnte. Dann habe ich mir allerdings auch Gedanken darüber gemacht, wer sonst noch so auf der Tagung herumläuft und abgesehen von mir und einem meiner Komolitonen waren, soweit ich weiß kein anderen Studenten auf dieser Tagung. Alle Personen dort waren entweder Doktoranden oder bereits voll ausgebildete Wissenschaftler.
Zu realisieren, dass das Niveau auf dieser Tagung zu großen Teilen einfach zu hoch für mich war um wirklich kompetent auftreten zu können, hat mich bis zum Ende des Freitags beschäftigt. Den Samstag habe ich mich dann vollkommen damit zufriedengegeben einfach nur zuzuhören und soviel neue Informationen aufzunehmen wie ich kann.
Zwar ist die Tagung selbst nicht ganz so gelaufen, wie ich es erwartet habe, doch war es doch eine Erfahrung die ich als enorm wichtig ansehe. Ich habe gesehen, was mich alles noch erwartet, wenn ich den Weg auf dem ich Moment bin weitergehe, ich habe gesehen, was ich noch alles lernen muss um ein wirkliches Verständnis über mein Fach zu gewinnen und was ich aber auch gemerkt habe, war dass ich all diese Sachen wirklich machen will.
Die Tage in Leipzig selbst waren zwar enorm anstrengend, aber ich fühle mich trotzdem irgendwie erholt und richtig motiviert jetzt an meinen Sachen weiterzuarbeiten, damit ich im nächsten Jahr vielleicht selber etwas vorzuweisen habe.
Für die nächsten Wochen habe vor ein paar Dinge hier zu schreiben die ich in Leipzig aufgeschnappt habe, und dann ist da immer noch dieses Ding über australopithecus sediba das ich schreiben wollte und was hoffentlich im Laufe dieser Woche auch kommen wird.
Zum Schluss möchte ich mich an dieser Stelle noch bei Anna Barros und Tracy Kivell bedanken, die während der Postersession am Freitag Abend so nett waren und eine Reihe meiner Fragen beantwortet haben und die Geduld hatten einige meiner etwas merkwürdigeren Ideen anzuhören.

23.09.2011

Eric in Leipzig: Lektionen vom ersten Tag

Tagungen sind, vor allem wenn man noch ein armer, dummer Student ist, vor allem zum lernen da. Folgende Dinge habe ich gestern gelernt:

Lektion 1: Nicht zu geizig sein.
Lieber nochmal 12,50€ für ein schäbiges Bett in einem Achtbettzimmer bezahlen, als die Nacht damit zu verbringen in irgendwelchen Zügen herumzufahren. Ich tat letzteres und hatte daher in der Nacht auf Donnerstag nur eine ganze Stunde Schlaf gehabt, maximal. Dasführt mich gleich zu Lektion 2.


Lektion 2: Niemals mit Schlafmangel einen Kurs über geometrische Morphometrie besuchen.
 Ich glaube, der Kurs war eigentlich ganz interessant und an ein paar Dinge kann ich mich sogar noch erinnern, aber einen großteil der Dinge die gesagt wurden habe ich bereits nach fünf minuten wieder vergessen.

Lektion 3: Mehr Englisch sprechen.
 Ich meine mir einbilden zu können, dass ich Englisch ziemlich gut verstehe, sei es nun gesprochen oder geschrieben. Ich meine sogar sagen zu können, dass ich mich schriftlich relativ gut  auf Englisch verständlich machen kann. Aber sprechen kann ich diese Sprache absolut gar nicht. Das macht das ganze etwas schwierig, wenn man versuchen will irgendwelche klugen Fragen zu stellen und dabei immer einen Brechreiz ob seiner eigenen schlechten Aussprache bekommt.

Dies alles habe ich gestern gelernt, natürlich habe ich auch ein paar anthropologische Sachen gelernt (nichts davon hat allerdings direkt mit der Tagung zu tun), aber das tue ich ja ohnehin ständig.

Ich bin mal gespannt was der heutige Tag so bringen wird.


20.09.2011

Sediba Post: Statusbericht

Ich habe ja gesagt das ich etwas über Australopithecus sediba schreiben wollte und das habe ich immer noch vor. Das Fossil ist wirklich interessant und es ist ein wunderbares Objekt um auch wieder ein paar grundsätzlichere Dinge beschreiben zu können. Dummerweise gibt es zwei Sachen, die mich bislang davon abgehalten haben, etwas zu schreiben:

1. Die Zeit.
Mein Studium hatte mich in den letzten zwei Wochen ziemlich fest im Griff,weshalb ich noch nicht dazu gekommen sehr viel mehr zu machen, als mir die Artikel durchzulesen.

2. Mein Kopf.
Zu allem Überfluss habe ich am Sonntag eine gute Idee bekommen, wofür ich das Fossil noch benutzen könnte. Es gibt da nämlich etwas, was ich schon länger demonstrieren wollte und die sediba Artikel bieten mir das perfekte Demonstrationsobjekt. Allerdings wird es eine Weile dauern, den Post zu schreiben, weil ich eine Reihe von Dingen vorbereiten muss.

Zu allem Überfluss werde ich morgen Abend nach Leipzig aufbrechen, wo ich mir bis Sonntag das Vergnügen gönne auf einer Tagung herumzuspazieren. Rechnet daher nicht damit, dass vor nächster Woche noch irgendetwas sediba-mäßiges kommt. Es ist allerdings möglich, dass ich etwas über die Tagung schreiben werden, falls mir etwas interessantes auffällt.

Wer ein paar weitere Informationen zu Australopithecus sediba sucht und des Englischen mächtig ist, dem kann ich nur diesen Post auf "Lawn Chair Anthropology" empfehlen.

11.09.2011

Australopithecus sediba: Interessante Interviews

Ich hatte noch keine Zeit tiefer in die Artikel zu schauen, habe aber vor dies morgen zu tun. Für Leute die allerdings nicht warten können, gibt es hier zwei Interviews die ganz interessant sind und zudem mit Personen geführt wurden, die wesentlich kompetenter als ich sind.




Science Podcast mit Lee Berger: Hier


Interview mit Lee Berger und Bernard Wood: Dort

09.09.2011

Das Sommerloch ist vorbei!

(Naja zumindest ein wenig.)

Die Dinge laufen machmal doch etwas merkwürdig. Da bin ich mit dieser furchtbaren Arbeit, die mittlerweile zum Glück nicht mehr ganz so furchtbar ist, die mich seit fast einem Jahr beschäftigt, fast fertig. Was bedeutet, dass ich diesem Blog hier wieder die Aufmerksamkeit geben kann die er verdient und schon scheint es sofort interessante Nachrichten zu geben.
Gestern ist in Science einer ganzer Stoß Artikel zu Australopithecus sediba, einem Hominidenfossil was im letzten Jahr entdeckt wurde (und dessen Entdeckung ich damals hier gepflegt ignoriert habe) erschienen. Diese Artikel gehen vor allem sehr detailliert auf die Morphologie des Fossils ein. Ich habe bislgang noch nicht die Zeit gehabt mich tiefer in die Texte einzuarbeiten, werde dies aber im Laufe der nächsten Tage tun und darüber berichten.

Da ich außedem wieder etwas mehr Zeit zur Verfügung habe als in den letzten Monaten, wird es außerdem noch ein paar andere Dinge geben über die ich schreiben möchte, was so viel bedeutet, dass mindestens noch ein weiterer Post kommen wird.

20.07.2011

Spekulation über Speziation

Heute geht es um ein Thema, ohne das es vermutlich viele der momentan herrschenden Diskussionen innerhalb der Paläoanthropologie nicht gäbe, nämlich um die Frage wie sich neue Arten bilden können.


Ich habe mich in der Vergangenheit sehr viel mit diesem Thema auseinandergesetzt und auch wenn sehr viele kluge Menschen etwas darüber geschrieben haben, so entspringt ein Großteil dessen was in diesem Post steht meinen eigenen Überlegungen. Sollte also jemand Fehler in meinen Darstellungen bemerken, so wäre sehr froh darüber wenn man mich darauf hinweisen könnte.


Im Grunde genommen gibt es hier zwei unterschiedliche Grundannahmen:


Die erste geht davon aus, dass Arten in aller Regel durch die Aufspaltung einer Ursprungsart in zwei Tochterarten entsteht.












Die zweite Schule geht davon aus, dass Arten durch graduelle Veränderungen im Laufe der Zeit entstehen.











Bevor wir uns jetzt ansehen, wie beide Prozesse in der Natur möglicherweise ablaufen könnten, sollte man noch kurz klären, nach welchem Kriterium man eine neue Art überhaupt definiert. Dies sind nicht etwa Unterschiede in der äußeren Gestalt, oder in der genetischen „Ausstattung“, obwohl beides eine Rolle spielt. Das Hauptkriterium zum definieren einer Art ist, ob sie in der Lage ist, mit anderen Individuen fortpflanzungsfähige Nachkommen zu erzeugen. Das bedeutet, dass Artbildungsprozesse sehr häufig mit dem Auftauchen von Fortpflanzungsbarrieren zu tun haben, seien sie nun geografisch oder möglicherweise sogar vom Verhalten bedingt.


Dies ist bei einer punktuellen Artbildung, relativ simpel zu erklären:


Beispiel für eine punktuelle Speziation: Nehmen wir an eine Art "A" lebt in einem bestimmten Habitat "X". Nun, z.B. durch ein geologisches Ereignis, wird entsteht eine Barriere in besagtem Habitat. Dies führt dazu, dass sich die Umweltbedingungen an beiden Seiten dieser Barriere verändern. Durch das fehlen jeglichen Genflusses zwischen den beiden Teilpopulationen von A im zweiten Bild, werden im Laufe der Zeit in dem Habitaten, was vorher das Habitat X war, zwei neue Spezies entstehen.

Wie kann nun eine gradualistische Artbildung möglich sein?
Ich habe sehr lange über diese Frage nachgedacht und mir ist eigentlich nur ein Modell eingefallen, was funktionieren könnte:

1. Nehmen wir an die betroffene Spezies ist auf ein Habitat begrenzt.
2. Nehmen wir weiter an, dass zwischen den einzelnen Populationen der Spezies ein unbegrenzter Genfluss stattfinden kann.
3. Nun verändert sich das Habitat im Laufe der Zeit und die Spezies passt sich an diese Veränderungen an.
4. Mit fortschreitender Zeit würde die betroffene Spezies einen immer größer werdenden Unterschied zu der Ursprungspezies haben, bis man letztendlich irgendwann von einer neuen Art sprechen könnte.


Das Problem an diesem Modell ist jedoch, dass zwischen den Populationen stets ein reger Genfluss geherrscht hat, d.h. es bestand zu keinem Zeitpunkt eine tatsächliche Fortpflanzungsbarriere. Die einzige Barriere die man annehmen könnte, wäre die das zwischen Art A und Art B ein so großer Unterschied ist, dass man davon ausgehen kann, dass diese Arten, so sie denn gleichzeitig existieren würden, keine fortpflanzungsfähigen Nachkommen mehr erzeugen könnten.
Dies würde dem Konzept der „Chronospezies“ relativ nahe kommen, bei der Arten nach ihrer zeitlichen Abfolge her definiert werden.


Nur wie können wir uns sicher sein, dass Art A und Art B tatsächlich keine Fortpflanzungsfähigen Nachkommen mehr bilden konnten? Und wie immer, wenn wir es mit Ereignissen aus der Vergangenheit zu tun haben ist die Antwort so simpel wie ernüchternd: Wir können es nicht. Wir haben keine Möglichkeiten Art A wieder ins Leben zurückzuholen um herauszufinden, ob sie nun doch noch gefallen an Art B finden würde. Dies ganze führt dazu, dass Evolutionsmodelle, die von einer gradualistischen Abfolge der Arten ausgehen stets hochspekulativ sind.

In der Paläoanthropologie gibt es zwei Beispiele, wo dieses Problem eine Rolle spielt. Zum einen ist es wohl möglich eine direkte Linie zwischen Australopithecus anamensis und Australopithecus afarensis zu ziehen (Kimbel et al. 2006, Haile-Selassie et al. 2010) und die Autoren sprechen hier auch explizit von einer gradualistischen Artbildung.
Das zweite Beispiel sind die nachweise für Hybridisierungen zwischen modernen Menschen und Neandertalern (Green et al. 2010) und zwischen modernen Menschen und den Menschen aus der Denisova Höhle (Reich et al. 2010).
Bei beiden Beispielen gibt es entweder gute Gründe von einem konstanten Genfluss auszugehen oder man hat sogar Beweise, dass es zu hybridisierungen gekommen ist, die Frage stellt sich nun, was man mit diesen Ergebnissen anfängt.
In meinen Augen kann man bei beiden Fällen nicht von unterschiedlichen Spezies reden, so lange man der Maxime folgt, dass Spezies durch das auftauchen von Fortpflanzungsbarrieren definiert werden. Ich könnte natürlich auch andere Kriterien einführen, wie zum Beispiel das Chrono-Spezies Konzept, doch laufe ich bei diesen Schritten immer Gefahr willkürlich zu werden und subjektive Kriterien für die Interpretation meiner Beobachtungen anzulegen.


Ich muss allerdings betonen, dass ich, bedingt durch die Lehrer die ich hatte, vielleicht etwas voreingenommen gegenüber einer bestimmten Richtung bin. Zudem fallen mir in meiner Argumentation jetzt schon ein paar Unstimmigkeiten auf, also sollte man meine Ausführungen auch mit Vorsicht genießen. Trotzdem bin weiterhin überzeugt, dass meine Darstellung die wissenschaftlich sicherere ist und sie deshalb auch gegenüber anderen Darstellungen zu bevorzugen sei. Aber ich bin mir sicher, dass in dieser Sache mit Sicherheit das letzte Wort noch nicht gesprochen ist.


Literatur:

Kimbel, W., et al. (2006). Was Australopithecus anamensis ancestral to A. afarensis? A case of anagenesis in the hominin fossil record Journal of Human Evolution, 51 (2), 134-152 DOI: 10.1016/j.jhevol.2006.02.003
Green, R., et al. (2010). A Draft Sequence of the Neandertal Genome Science, 328 (5979), 710-722 DOI: 10.1126/science.1188021
Haile-Selassie, Y., et al. (2009). New hominid fossils from Woranso-Mille (Central Afar, Ethiopia) and taxonomy of early Australopithecus American Journal of Physical Anthropology DOI: 10.1002/ajpa.21159
Reich D., et al. (2010). Genetic history of an archaic hominin group from Denisova Cave in Siberia. Nature, 468 (7327), 1053-60 PMID: 21179161

18.07.2011

Ich lebe noch!

Das ist leider kein Post mit Inhalt sondern nur einer von der Sorte „Ich schreibe mal was um zu zeigen, dass ich noch vorhabe weiter zu schreiben“.


Es ist nicht so, dass ich in den letzten Wochen nicht vorhatte etwas zu schreiben, ich habe meine Versuche lediglich immer wieder abgebrochen, weil ich sie einfach nicht gut und interessant genug fand. Der Mangel an interessanten Artikeln macht die Situation auch nicht wirklich besser. Und zu guter letzt versuche ich im Moment mit aller Macht mein Studium voranzubringen, was mir auch nicht so wirklich gelingen will. Ich habe sogar überlegt ein bisschen was darüber zu schreiben, was ich gerade tue, weil eigentlich recht interessant ist, nur habe ich noch keine Gute Form gefunden, in der darüber berichten kann.

Ich kann zumindest mit ruhigen Gewissen auf die Zukunft verweisen, weil ich in den kommenden Monaten auf zwei Tagungen fahren werden und sicherlich etwas im Vorfeld über einige Themen die dort behandelt werden, schreiben werde. Die erste Tagung ist die Tagung der „European society for the study of human evolution“, die im September in Leipzig stattfinden wird. Ich habe noch keine Ahnung worum es dort genau gehen wird, aber sie ist für Studenten ziemlich günstig (20€) und ist mal wieder eine Chance mit anderen Personen aus dem Fach in Kontakt zu kommen. Auf die zweite Tagung freue ich mich besonders, weil sie quasi vor meiner Haustür stattfindet, und zwar im November im Senckenbergmuseum. Sie trägt den schönen Titel „The World at the Time of Messel: Puzzles in Palaeobiology, Palaeoenvironment and the History of Early Primates”
Ich habe ja eine schwäche für die frühe Evolution der Primaten und bedenkt man den ganzen Lärm der u Ida geherrscht hat, kann man davon ausgehen, dass die Tagung nicht langweilig werden dürfte.

Für die nähere Zukunft habe ich jedenfalls noch ein paar nette Ideen und ich hoffe, dass wenigstens eine oder zwei gutes Material für Posts liefern werden und ich vielleicht schon in dieser Woche etwas neues hier reinstellen kann.

20.05.2011

Aufrecht stehend lässt's sich besser prügeln.

Heute geht es um die lustige Frage, ob wir unter anderem möglicherweise deshalb auf zwei Beinen gehen, weil wir dadurch besser unseren Mitmenschen die Fresse polieren können, als wenn wir nicht aufrecht stehen würden.
Diese Frage, nur wesentlich seriöser formuliert, stellte sich zumindest David Carrier und untersuchte deshalb, wie stark die Schläge von erwachsenen Männern sind, wenn sie aufrecht stehen, und wenn sie nicht tun.


Die erste Frage die einem hier durch den Kopf geht ist natürlich, wie man überhaupt auf diese Idee kommen kann. Sieht man sich bei anderen Säugetieren um, so beobachtet man immer, wieder dass vor allem die männlichen Tiere, bei Konflikten ihre Vorderextremitäten benutzen um ihre Gegner zu schlagen, bzw. sich aufrichten um bedrohlicher zu wirken. Dieses Verhalten sieht man auch bei großen Menschenaffen und dort sogar ziemlich häufig.
In der Tat zeigte sich in der Untersuchung, dass Männer in der Lage sind wesentlich härter zuzuschlagen, wenn sie aufrecht stehen, als wenn sie es nicht tun.
Doch kann man aus diesem Ergebnis schlussfolgern, dass männliches Aggressionsverhalten oder aggressives Imponiergehabe im Allgemeinen eine Rolle bei der Evolution des aufrechten Ganges gespielt haben?
An dieser Stelle kommt ein ganzer Rattenschwanz an Problemen auf uns zu, denn auch wenn die Ergebnisse zeigen, dass man aufrecht stehend härter zuschlagen kann, so bedeutet dies im Gegenzug noch lange nicht, dass dieser Punkt auch nur irgendeine Rolle bei der Evolution des aufrechten Gangs gespielt hat.
Wie ich in meinem letzten Post gezeigt habe, brauchen wir bei derartigen Theorien aber unbedingt einen Bezug auf fossile Formen um überhaupt irgend eine Form von Testbarkeit herstellen zu können. Wir wissen nicht, wie sich die Menschenaffen im Miozän (der Zeitabschnitt der für derartige Fragen von Bedeutung ist) tatsächlich verhalten haben und ob unser Verhalten oder das rezenter Menschenaffen mit dem Verhalten dieser früheren Arten vergleichbar ist. Diese Studie führt nur rezente Arten als Vergleichsmaterial auf und macht keine Aussage über irgendeine Form von Merkmalstransformation oder ähnlichem, was man auf fossile Überlieferungen zurückführen konnte.
Ein weiteres Problem was bei dieser Art Studie auftaucht ist, dass ich Gefahr laufe, die Evolution als Stufenleiter darzustellen, indem ich uns nahe verwandte, rezente Arten als 1:1 Modell für unsere Vorfahren benutze, obwohl es genug Anzeichen gibt, dass dies nicht zwingend der Fall ist. Die Gegenwart erklärt nun mal nicht die Vergangenheit auch wenn wir es uns noch so wünschen.


Es sind Studien wie diese die mich darüber nachdenken lassen, ob ich nicht irgendetwas fundamentales nicht verstanden habe. In meinen Augen schmeißt dieser Artikel alles was ich über wissenschaftliche Theorienbildung gelernt habe über Bord und erzählt stattdessen eine, mehr oder weniger, interessante Geschichte und ich kann nicht verstehen, wie so etwas passieren und sogar publiziert werden kann


Literatur:
ResearchBlogging.org



Carrier, D. (2011). The Advantage of Standing Up to Fight and the Evolution of Habitual Bipedalism in Hominins PLoS ONE, 6 (5) DOI: 10.1371/journal.pone.0019630

03.05.2011

Der Stopknopf öffnet nicht die Tür: Was uns Bus fahren über wissenschaftliches Arbeiten lehrt.

Ich habe keinen Führerschein und bin daher auf öffentliche Verkehrsmittel, für gewöhnlich ist dies der Bus, angewiesen um von A nach B zu kommen. Und auch wenn es manchmal ziemlich nervig ist, z.B. wenn man im Sommer gegen 10 Uhr zur Uni fahren möchte, so kann man doch eine ganze Reihe interessanter Verhaltensweisen beobachten. Wie zum Beispiel folgende:

In vielen Bussen sind drei Arten von Knöpfen untergebracht: „STOP“ Knöpfe um dem Busfahrer zu signalisieren an der nächsten Haltestelle anzuhalten, Knöpfe um eine Rollstuhlrampe anzufordern und, in längeren Bussen, Türöffner an der hintersten Tür. Letztere, und nur diese, öffnen, sobald der Bus anhält, auf Knopfdruck die hinterste Tür. Die vorderen Türen werden in aller Regel vom Busfahrer geöffnet und sind mit keinen Türöffnern verbunden.
Wir haben hier also zwei unterschiedliche Fälle, einmal gibt es einen kausalen Zusammenhang zwischen der Handlung „drücke Knopf“ und dem Ereignis „Tür öffnet sich“ und einmal gibt es diesen nicht. Das Problem ist hierbei jedoch, dass Fahrgäste, wenn sie auf an einer der vorderen Türen auf den nächstbesten Knopf drücken, keine Rückmeldung erhalten, das ihre Aktion nichts bewirkt, stattdessen öffnet sich, vom Busfahrer gesteuert, die Tür.


Diese Personen haben aus einer gewissen Anzahl von Erlebnissen ein allgemeines Prinzip abgeleitet: Wenn ich aus dem Bus aussteigen will, muss ich einen Knopf neben der Tür drücken. Dabei ist es vollkommen egal, ob auf diesem Knopf „Tür öffnen“, „STOP“ oder „Rampe anfordern“ steht.
Die meisten Leute werden mit Sicherheit, wenn man sie darauf anspricht, sagen, dass auf jeden Fall diese Knöpfe die Türen öffnen, schließlich funktioniert es ja jedes Mal, wenn sie aussteigen wollen. Das Problem hierbei ist, ist dass die Leute den Faktor „Busfahrer“ nicht kennen, d.h. wenn sie immer auf den Knopf drücken wenn der Bus hält, werden sie immer denken das sie es sind, die die Tür öffnen, anstatt das es der Busfahrer macht.


Die einzige Möglichkeit mit Sicherheit herauszufinden, ob das Prinzip „Knopf öffnet Tür“ tatsächlich allgemeingültig ist, ist die Falsifikation, d.h. wir müssen die Hypothese testen „alle Türen gehen von selbst auf“. Diese Hypothese lässt sich testen, indem man konsequent keinen Knopf betätigt, wenn man den Bus verlassen will und einfach beobachtet was passiert. Schnell wird man feststellen, dass diese Hypothese in bestimmten Fällen zutrifft und manchmal nicht. In jedem Fall bedeutet dies, dass die Eingangstheorie „Knopf öffnet Tür“ falsch ist, da sie nicht allgemeingültig ist. Durch die weiteren Beobachtungen kann man dann herausfinden, dass hinteren Türen in aller Regel mithilfe eines Knopfdrucks geöffnet werden, wohingegen die vorderste und mittlere Tür ohne Knopfdruck aufgehen. Dieser ganze Prozess würde also zur „speziellen Kausaltheorie der Bustüröffnung“ führen.


Mithilfe dieser Methode, würden diese Fahrgäste nicht nur aufhören wie pavlowsche Hunde auszusehen wenn sie den Bus verlassen möchten, sie hätten sogar gelernt wie man richtig Wissenschaft betreibt.

Ob man nun, wie ich als ich noch zur Schule gegangen bin, herausfinden will, wie die Türen im Bus funktionieren, oder ob ich eine  wissenschaftliche Theorie aufstellen möchte:
Ich kann mir niemals sicher sein kann, ob das Kausalprinzip was ich meine in der Natur erkannt zu haben, auch tatsächlich so existiert. Es ist immer möglich, dass es eine, mir noch unbekannte, weitere Kraft gibt (in unserem Beispiel der Busfahrer), die diesen von mir beschriebenen Mechanismus eigentlich steuert. Ich kann dies nur herausfinden, wenn ich alle anderen Alternativen verworfen, d.h. ausprobiert und für falsch befunden habe.
Im Grunde genommen wird moderne Wissenschaft auf diese Art und Weise betrieben. Jemand stellt eine Hypothese auf und alle Welt versucht diese zu widerlegen. Das ist einfach, wenn ich es mit Gegenwartswissenschaften wie z.B. der Physik zu tun habe, da ich dort in aller Regel Experimente bzw. mathematische Beweise durchführen kann. Problematischer wird das ganze in der Biologie.


Die Evolutionstheorie ist eine ziemlich widerliche Theorie, wenn wir sie aus wissenschaftstheoretischer Sicht betrachten. Sie funktioniert nämlich nur in der Retrospektive. Wir können zwar die basalen Mechanismen durch Laborversuche aufzeigen und testen, doch können wir z.B. Hypothesen wie der aufrechte Gang entstanden ist, nicht direkt im Labor testen, ebenso wenig wie wir in der Lage sind Verwandtschaftsbeziehungen von Tierarten direkt testen zu können. Alles was wir tun können, ist eine Theorie aufstellen in der z.B. ein Evolutionsökologisches Szenario beschrieben wird in dem ein Bestimmter Merkmalswandel vonstatten ging. Dieses Szenario, und die damit postulierte Merkmalstransformation, ließe sich theoretisch durch Fossilfunde falsifizieren. Wir können unsere Hypothesen letztendlich also nur „quasi-experimentell“ nachweisen, was natürlich nicht sehr befriedigend ist. Was das ganze noch erschwert, ist der Punkt, dass ich in der Lage sein muss meine Hypothesen in irgendeiner Form auf Fossilfunde zu beziehen, weswegen vor allem Hypothesen was die Evolution bestimmter Verhaltensweisen angeht häufig am Rande des „story-tellings“ entlangschrammen. Denn dummerweise sagt uns ein Haufen Knochen nur ziemlich wenig darüber, wie genau sich unsere Vorfahren verhalten haben, ob sie sprechen konnten und wie stark ihre kognitiven Fähigkeiten entwickelt waren.
Das ganze lässt natürlich einen großen Raum für Spekulationen offen und immer wieder wurden Hypothesen zur Evolution des Menschen entweder ideologisch geprägt, oder von Ideologien missbraucht. Man muss stets im Kopf behalten, dass man als Anthropologe nicht nur Aussagen über die Evolution unser eigenen Art trifft, sondern gleichzeitig auch auf philosophischer Ebene beschreibt, was der Mensch ist was ihn definiert.

Aus diesem Grunde, ist es, meiner Meinung nach, extrem wichtig über die wissenschaftstheoretischen Grenzen des eigenen Faches, sowie über die Art und Weise „gute“ wissenschaftliche Theorien aufzustellen, Bescheid zu wissen.