20.05.2011

Aufrecht stehend lässt's sich besser prügeln.

Heute geht es um die lustige Frage, ob wir unter anderem möglicherweise deshalb auf zwei Beinen gehen, weil wir dadurch besser unseren Mitmenschen die Fresse polieren können, als wenn wir nicht aufrecht stehen würden.
Diese Frage, nur wesentlich seriöser formuliert, stellte sich zumindest David Carrier und untersuchte deshalb, wie stark die Schläge von erwachsenen Männern sind, wenn sie aufrecht stehen, und wenn sie nicht tun.


Die erste Frage die einem hier durch den Kopf geht ist natürlich, wie man überhaupt auf diese Idee kommen kann. Sieht man sich bei anderen Säugetieren um, so beobachtet man immer, wieder dass vor allem die männlichen Tiere, bei Konflikten ihre Vorderextremitäten benutzen um ihre Gegner zu schlagen, bzw. sich aufrichten um bedrohlicher zu wirken. Dieses Verhalten sieht man auch bei großen Menschenaffen und dort sogar ziemlich häufig.
In der Tat zeigte sich in der Untersuchung, dass Männer in der Lage sind wesentlich härter zuzuschlagen, wenn sie aufrecht stehen, als wenn sie es nicht tun.
Doch kann man aus diesem Ergebnis schlussfolgern, dass männliches Aggressionsverhalten oder aggressives Imponiergehabe im Allgemeinen eine Rolle bei der Evolution des aufrechten Ganges gespielt haben?
An dieser Stelle kommt ein ganzer Rattenschwanz an Problemen auf uns zu, denn auch wenn die Ergebnisse zeigen, dass man aufrecht stehend härter zuschlagen kann, so bedeutet dies im Gegenzug noch lange nicht, dass dieser Punkt auch nur irgendeine Rolle bei der Evolution des aufrechten Gangs gespielt hat.
Wie ich in meinem letzten Post gezeigt habe, brauchen wir bei derartigen Theorien aber unbedingt einen Bezug auf fossile Formen um überhaupt irgend eine Form von Testbarkeit herstellen zu können. Wir wissen nicht, wie sich die Menschenaffen im Miozän (der Zeitabschnitt der für derartige Fragen von Bedeutung ist) tatsächlich verhalten haben und ob unser Verhalten oder das rezenter Menschenaffen mit dem Verhalten dieser früheren Arten vergleichbar ist. Diese Studie führt nur rezente Arten als Vergleichsmaterial auf und macht keine Aussage über irgendeine Form von Merkmalstransformation oder ähnlichem, was man auf fossile Überlieferungen zurückführen konnte.
Ein weiteres Problem was bei dieser Art Studie auftaucht ist, dass ich Gefahr laufe, die Evolution als Stufenleiter darzustellen, indem ich uns nahe verwandte, rezente Arten als 1:1 Modell für unsere Vorfahren benutze, obwohl es genug Anzeichen gibt, dass dies nicht zwingend der Fall ist. Die Gegenwart erklärt nun mal nicht die Vergangenheit auch wenn wir es uns noch so wünschen.


Es sind Studien wie diese die mich darüber nachdenken lassen, ob ich nicht irgendetwas fundamentales nicht verstanden habe. In meinen Augen schmeißt dieser Artikel alles was ich über wissenschaftliche Theorienbildung gelernt habe über Bord und erzählt stattdessen eine, mehr oder weniger, interessante Geschichte und ich kann nicht verstehen, wie so etwas passieren und sogar publiziert werden kann


Literatur:
ResearchBlogging.org



Carrier, D. (2011). The Advantage of Standing Up to Fight and the Evolution of Habitual Bipedalism in Hominins PLoS ONE, 6 (5) DOI: 10.1371/journal.pone.0019630