26.03.2010

Die Evolution der Primaten- Wie, wann und wo fand sie eigentlich statt?

ResearchBlogging.org
Die Anthropologie hört interessanterweise nicht beim Menschen auf. Ganz im Gegenteil, um den Menschen und seine Geschichte wirklich verstehen zu können, ist es dringend nötig, die Evolution aller Primaten zu verstehen.
Eines der Interssantesten Gebiete in diesem Themenbereich ist das, was sich mit dem Ursprung und der Evolution der frühen Primaten befasst. Interessant vor allem deshalb, weil noch ziemlich viel ziemlich unklar ist.
So zum Beispiel die nach dem zeitlichen als auch geografischen Ursprung der Primaten.

Um eine kurze Einführung zu geben, hier ein grober Stammbaum inklusive Abspaltungsdatierungen:
















In diesem Stammbaum gibt es zwei Daten die etwas problematisch sind:
Das ist zum einen die Aufspaltung von Alt- und Neuweltaffen und zum anderen die Aufspaltung von Lemuren und Loris. Neuweltaffen kommen, wie der Name schon sagt, nur in der "Neuen Welt" also Mittel-und Südamerika vor, die Lemuren nur in Madagaskar. Leider waren sowohl Südamerika als auch Madagaskar schon vom afrikanischen Kontinent getrennt, als die Linien der beiden Formen sich aufgespalten haben.
In aller Regel wird dieses Problem dadurch "gelöst" indem man davon ausgeht, dass irgendwelche Vorläuferformen von Lemuren und Neuweltaffen irgendwie mithilfe von Treibgut (Baumstämmen etc.) oder mithilfe von "Inselspringen" diese Lücke überquert haben. Man könnte jetzt allerdings die Frage stellen, wieso es dann nicht auch einigen Affen gelungen ist von Indonesien nach Australien zu kommen.
Es gibt noch weitere Probleme was die frühe Evolution der Primaten angeht, So klafft zum Beispiel eine Lücke von mindestens 10 Millionen Jahren zwischen dem errechneten Urpsrung der Primaten und dem ersten Fossilfunden.

Vor kurzem kam jedoch ein Artikel raus, der die frühe Evolution der Primaten aus einer komplett anderen Perspektive versucht zu betrachten.
Der Autor, Micheal Heads, behauptet, dass die Primaten nicht während der Kreidezeit oder gar noch später entstanden sind, seiner Meinung nach hat sich ein großteil der Radiation der Primaten während des Jura ereignet. Sein Modell hat den Vorteil, dass sowohl die Neuweltaffen, als auch die Lemuren keinerlei Wasserpassagen überwinden mussten um an ihre Orte zu kommen, die sie heutzutage bewohnen. Sind sind entstanden, als sich ihre jeweiligen Landmassen vom Urkontinent Pangäa abgespalten haben. Demnach sind sie das Produkt einer geografischen Isolation und nicht von irgendwo anders her eingewandert.

Auch ein anderer Sachverhalt könnte ein Indiz für sein Modell sein.
Es ist unglaublich schwer die Säugetiergruppe zu bestimmen, die mit den Primaten am nächsten verwandt ist.
Je nachdem welche Methoden man anwendet, oder welche Merkmale man betrachtet kommt ein anderes Ergebnis raus. Vor allem die molekulargenetischen Untersuchungen sprechen dafür, dass sich die Aufspaltung der Primaten und ihrer näher Verwandten Säugetiergruppen unglaublich schnell vollzogen hat, eine Untersuchung (Janecka et al. 2007) geht von weniger als zwei Millionen Jahren aus.
Eine schnelle Aufspaltung bedeutet, dass sehr plötzlich kein Genfluss mehr zwischen den Populationen der Ursprungsart mehr stattgefunden hat und eine solche, plötzliche Trennung, lässt sich sehr gut mithilfe einer geografischen Trennung erklären.

Aber natürlich gibt es auch ein paar Fragen zu der Untersuchung:
Beachtet man meine Abbildung, so zeigt sich, dass Beispielsweise die Datierung der Trennung von Alt- und Neuweltaffen um mindestens 60 Millionen Jahre von dem, von Heads postulierten, tatsächlichen Abspaltungsdatum abweicht. Korrigiert man nun dieses Datum, so müsste man auch alle anderen Daten für die Abspaltungsereignisse innerhalb der Alt- und Neuweltaffen neu berechnen und vermutlich auch korrigieren.

Ich muss ehrlich zugeben, dass ich nicht genau weiß, was ich von dem Artikel halten soll, es klingt alles sehr überzeugend und es wird außerdem versucht Fragen zu beantworten, die ich mir teilweise auch schon gestellt habe. Auf der anderen Seite, erscheinen mir seine Behauptungen teilweise so fantastisch, dass ich sie schwer glauben kann.
Eines kann man jedoch ganz sicher sagen, es ist gut, dass solche Behauptungen aufgestellt werden und nicht immer nur versucht wird, dass was seit ewigen Zeiten als Lehrmeinung feststeht immer wieder durchzukauen.
Ich denke man sollte diesen Artikel als eine Herausforderung verstehen, denn man weiß im Grunde genommen noch überhaupt nichts zur frühen Evolution der Primaten und eine solche, auch provokante, These hilft auf jeden Fall einige dieser Probleme die noch vorhanden sind nochmal richtig anzupacken.

Literatur:

Heads, M. (2010). Evolution and biogeography of primates: a new model based on molecular phylogenetics, vicariance and plate tectonics Zoologica Scripta, 39 (2), 107-127 DOI: 10.1111/j.1463-6409.2009.00411.x

Janecka, J., Miller, W., Pringle, T., Wiens, F., Zitzmann, A., Helgen, K., Springer, M., & Murphy, W. (2007). Molecular and Genomic Data Identify the Closest Living Relative of Primates Science, 318 (5851), 792-794 DOI: 10.1126/science.1147555

Eizirik et al. (2004) Molecular Phylogeny and dating of early primate divergence. In: Ross, C.F., Kay, R.F. Anthropoid origins. New Visions. Kluwe Academic/Plenum Publications, New York.