02.10.2009

Ardipithecus und die Medien

Bevor ich mich auf die wissenschaftlichen Aspekte dieses Fundes stürze wollte ich noch etwas über die Darstellung des Fundes in den Medien sagen.

Wie üblich ist es nicht wirklich berauschend, bei "Nano"  wird behauptet, dass "Ardi" (so wurde das Skelett getauft) der älteste bekannte Vorfahr des Menschen sei.


Mehrere Dinge an dieser Annahme sind nicht richtig. Zum einen gibt es ältere Fossilien die man ebenfalls zu den Homininen zählt, der Unterschied ist nur, dass sie nicht so komplett sind wie das Ardipithecus Skelett. Zum anderen ist noch vollkommen unklar, ob Ardipithecus wirklich ein Vorfahre des modernen Menschen ist.


In den Medien wird häufig der Fehler gemacht, dass man die Evolution des Menschen als eine Art Stufenleiter (der Akademiker sagt auch "Scala naturae" dazu) darstellt, die eine gerade Linie von der ursprünglichsten Form hin zum modernen Menschen zieht. Allerdings gibt es keine solche Stufenleiter in der Natur, jede Art (ob rezent oder Fossil) hat für sich eine spezielle Nische gefunden in der sie sich ausbreitet. Externe Faktoren können dann dazu führen, dass einzelne Populationen dieser Art voneinander isoliert werden, im Laufe der Zeit differenzieren sich diese Populationen dann in neue Nischen aus und neue Arten entstehen. Zusammenfassend heißt das, eine gradualistische (voranschreitende) Evolution ganzer Arten gibt es nicht. Schon allein von dieser Tatsache her, ist die Wahrscheinlichkeit gegeben, dass Ardipithecus, wie so viele andere Homininenformen, kein direkter Vorfahr ist sondern eher, dass wir mit Ardipithecus einen gemeinsamen Vorfahren teilen.


Die wichtige Frage in Bezug auf die stammesgeschichtliche Verwandtschaft von Ardipithecus und dem modernen Menschen müsste vielmehr sein, wann sich die Linien vom modernen Menschen und von Ardipithecus gespalten haben.


Ein Aspekt, warum in meinen Augen Ardipithecus so interessant ist, ist weil man die Frage stellen kann, ob Ardipithecus und die gesamten Australopithecinen nicht möglicherweise eine Schwestergruppe zu den Homininenformen bilden zu denen auch der moderne Mensch zu zählen ist, demnach also nicht in einer direkten Vorfahrenlinie zum modernen Menschen stehen. Für diese Annahme gibt es zwar noch nicht sonderlich viele Indizien, doch sollte man vielleicht diese Möglichkeit in Betracht ziehen.


Ein weiterer Punkt der mich immer ärgert, ist das in diesem Kontext immer der Begriff "missing link" fällt. Aus meinen obigen Ausführen wird bereits deutlich, dass keine Art an sich ein Verbindungsstück zwischen zwei anderen Arten bilden kann. Vielmehr führt dieser Begriff und sein inflationärer Gebrauch dazu, dass eine komplette Wissenschaft ins lächerliche gezogen wird.


Der Beitrag bei Nano endete mit dem Satz "Die Wissenschaft hat viel gelernt." Das stimmt so auch nicht, die Ausführungen der beteiligten Wissenschaftler sind von ihnen aufgestellte Hypothesen, welche zunächst einmal innerhalb der Wissenschaftsgemeinschaft diskutiert werden müssen (und das passiert bereits). Hier werden im Laufe der Zeit sicher einige Aussagen relativiert werden müssen.


Hier ist auch die Gefahr die ich sehe:
Ardipithecus wird momentan als etwas dargestellt, was die Evolution des Menschen revolutioniert und einen Großteil der gängigen Annahmen in Frage stellt. Wenn sich nun aber herausstellt, dass viele der aufgestellten Hypothesen falsch sind, dann heißt dies im Umkehrschluss, dass sich die komplette Paläoanthropologie mal wieder geirrt hat. Diese Ereignisse werden in aller Regel gerne von Personen propagandistisch ausgeschlachtet, die meinen der Mensch sei durch einen magischen Schöpfungsakt entstanden.


Warum wird dies trotzdem immer wieder so praktiziert?
Nun das liegt zum einen an den Medien, die lieber Sensationsnachrichten verkaufen, als ein Thema tatsächlich diskutieren wollen. Zum anderen liegt dies aber auch an den Wissenschaftlern, die sich in eine solche Maschinerie einspannen lassen. So erscheint bereits nächste Woche in den USA eine Dokumentation über diesen Fund. Dies lässt den Schluss nahe, dass erneut (wie schon bei "Ida" im letzten Frühjahr) von den Beteiligten diverse Sachverhalte spektakulärer dargestellt werden als sie letztendlich sind.

Ich finde dies alles sehr bedauerlich, denn in der Tat bietet Ardipithecus viel Stoff für Diskussionen (vermutlich über die nächsten 10-15 Jahre) aber ein einzelnes Fossil war und wird niemals alle Fragen zur Evolution des Menschen klären können und es wäre schön, wenn die Medien dies endlich auch mal so darstellen könnten.


Ich hoffe ich werde in den nächsten Tagen in der Lage sein, darstellen zu können, was genau an diesem Fossil jetzt toll ist und wo die Autoren vielleicht etwas über ihr Ziel hinausgeschossen sind.


Nachtrag:
Warum zum Teufel schaffen die Herren/Damen bei Nano es eigentlich nicht "Antrhopologen" von "Archäologen" zu unterscheiden? Auch in diesem Bericht wird von Archäologen gesprochen, wenn ganz eindeutig Anthropologen die Arbeit gemacht haben.