13.11.2009

Wieviel Mensch steckt im Schimpansen?

Ich habe vor einigen Tagen einen Vortrag von Volker Sommer mit dem Titel "Menschenaffen wie wir. Unsere wilde Verwandtschaft" gehört.


Nun warum schreibe ich jetzt hier etwas darüber? Nun, dass hängt mit einer Forderung zusammen, die Herr Sommer stets in seinen Auftritten äußert. Er ist nämlich der Meinung, dass man Schimpansen und wahrscheinlich auch Bonobos (auch wenn er dazu nichts gesagt hat) zur Gattung Homo hinzunehmen sollte. Die Schimpansen und Bonobos sind momentan noch in ihrer eigenen Gattung "Pan".
Die Gründe warum er diese Forderung äußerst sind folgende, zum einen ist die genetische Distanz zwischen Schimpanse (ich rechne die Bonobos hier einfach mal rein) und Mensch nicht besonders große, sie liegt irgendwo bei 98% wenn ich mich richtig erinnere. Zudem sind Schimpansen in ihrem ganzen Verhalten und in ihren Kognitiven Fähigkeiten so Menschenähnlich, dass es enorm schwierig ist das "speziell menschliche" an unserem Verstand zu finden.
Ihm zufolge sei die Trennung von Mensch und Schimpanse in zwei Gattungen auch Ausdruck der menschlichen Geisteshaltung in irgendeiner Form "besonderer" zu sein als andere Tiere. Es wird einfach willkürlich eine Grenze zwischen Mensch und Tier gezogen, obwohl dies keinerlei biologische Grundlage besitzt.


Im Grunde genommen, stimme ich mit der Analyse von Herrn Sommer überein, es gibt keine wirklichen biologischen Gründe für eine Trennung von Tier und Mensch, ganz einfach aus der Tatsache, dass wir ebenso wie alle anderen Organismen auf der Welt einen gemeinsamen biologischen Ursprung haben. Na gut, ich persönlich finde an dem Statement "Ich bin ein Menschenaffe", mit der Herr Sommer immer seine Vorträge beginnt, jetzt nichts wirklich revolutionäres, es ist ganz einfach die Konsequenz aus unserer biologischen Systematik.
Nein, was mich stört, ist seine Forderung die Schimpansen und den Menschen in eine Gattung zu werfen.


Taxonomie, so nennt sich das Wissenschaftsfeld was sich mit der systematischen Einordnung und Definition von Lebewesen befasst, ist ein äußerst schwieriges Feld. Es gibt keine wirkliche einheitliche Definition was eine Art (die kleinste taxonomische Einheit) oder gar eine Gattung eigentlich ist. Es gibt lediglich Definitionen die mal mehr, mal weniger wissenschaftlich sind. Welche jedoch letztendlich benutzt wird, hängt mit der Vorliebe des Taxonomen für eine bestimmte biologische Systematik zusammen.


Es wird sich in der Paläoanthropologie bereits heftig gestritten, wo denn überhaupt die Gattung "Homo" beginnt und welche Kennzeichen sie überhaupt besitzt. Jedoch geht es hierbei eher darum, die Gattung "Homo" zu beschränken, als darum sie auszubauen.
Das größte Problem an einer Erweiterung der Gattung „Homo“ ist, dass man bei einer so weit gefassten und morphologisch so diversen Gattung, wie man sie dann hätte, noch größere Schwierigkeiten mit einer vernünftigen Definition bekäme als man sie ohnehin schon hat, ganz einfach, weil man kaum gemeinsame Merkmale finden könnte.


Ich habe nach dem Vortrag auch meine Bedenken diesbezüglich geäußert und auch gefragt, wie er denn die Gattung "Homo" dann definieren würde. Die Antwort war, dass es ja ohnehin keine vernünftige Gattungsdefinition gäbe und man in diesem Zusammenhang ja auch die politische Komponente bedenken müsste, die die praktische überwiege.


Mein Gedanke dazu ist nur: Wenn es keine wissenschaftlich befriedigende Definition der Gattung "Homo" gibt, so ist es kein Grund, einfach eine andere ebenso wenig wissenschaftliche Definition zu benutzen, die zudem keine wissenschaftliche Begründung besitzt sondern eine politische bzw. psychologische. Vielmehr sollte man zusehen, dass man es endlich mal fertigbringt eine vernünftige Definition aufzustellen, die der Diversität der Gattung Homo in früherer Zeit gerecht wird, gleichzeitig aber auch stringent genug ist, damit nicht jedes Vieh dort hineingenommen wird.
Ein weiteres Problem wäre, dass man dann möglicherweise dann nicht beim Schimpansen aufhören könnte, denn auch  andere (den Kommentar lesen, nicht den Text!) Menschenaffen sind in ihren kognitiven Fähigkeiten schon sehr "Menschenähnlich" und da wir bereits für die Erweiterung auf den Schimpansen psychologische Gründe anführen, könnten wir das auch dann gleich für Gorillas und Orang-Utans mitmachen.


Das ganze ist hier jetzt kein Plädoyer für die "Sonderstellung" des Menschen, vielmehr ist es das Gegenteil. Für mich sind alle Organismen vollkommen gleichwertig, was ihre Position und Definition in der biologischen Systematik angeht. Und da dieses System vollkommen frei von Wertungen ist, sollte man auch so mit Ihm umgehen und aufhören ein Politikum aus diesen Dingen machen zu wollen.
Es wäre vielleicht einfach mal an der Zeit, das Podest auf dem wir uns angeblich befinden abzubauen, anstatt es mit immer mehr Tieren vollzustellen.

22.10.2009

Mal wieder Ida

Das kommt dabei raus, wenn man versucht ein Fossil vor seiner wissenschaftlichen Diskussion öffentlich zu vermarkten.


Ich darf den beteiligten Personen dazu gratulieren, diversen pseudowissenschaftlich, religiösen Kreisen eine enorme Menge an Munition für ihre bescheuerten Thesen geliefert zu haben.


Hossa!

05.10.2009

Ardipithecus und die Medien (Teil II)

Eines noch zu dem Artikel der FAZ:

Der Autor des Artikels beschreibt im letzten Absatz Lovejoys Ausführen folgendermaßen:

"Spätestens hier dürfte Owen Lovejoy der Widerspruch all jener sicher sein, welche hoffen, die Ursprünge menschlichen Verhaltens durch das Studium von Schimpansen und Bonobos aufklären zu können - bis hinein in Moralvorstellungen. Aber vielleicht sollte man jetzt, wo wir von Ardi wissen, mit Schlüssen vom Schimpansen auf den Menschen noch sehr viel vorsichtiger sein. "Wir können uns nicht mehr auf Homologien, also Ähnlichkeiten aufgrund gemeinsamen evolutionären Ursprungs zu afrikanischen Menschenaffen, verlassen, um unsere Ursprünge zu erklären", schreibt Owen Lovejoy in Science. Denn nicht nur der Mensch hat sich seit der Trennung seiner Ahnenreihe von der des Schimpansen durch eine Fülle einzelner Anpassungsprozesse erheblich weiterentwickelt, sondern auch jene uns vermeintlich so nahen großen Affen. Wir stammen nicht von ihnen ab, sondern von einem Wesen wie Ardi."

Hier irrt der Autor jedoch: Die Kritik wird Herr Lovejoy von denjenigen bekommen, welche seine Paarbindungshypothese nicht teilen. Wie man hier sehen kann, gibt es sogar Primatologen die in Lovejoys Ausführungen gewisse Bestätigung für ihre Arbeit sehen. Interessanterweise beschäftigt sich Frans de Waal sehr viel mit der Evolution von Moral und Empathie, also gerade dem Feld was der Verfasser des Artikels wohl nicht so gern hat.

Zu den weiteren Ausführungen des Autors:
In der Paläoanthroplogie steckt man in einem Dilemma: Man versucht die Evolution des Menschen zu erklären, hat dabei aber lediglich Fossilien zur Verfügung. Fossilien reden aber leider nicht. Wie kann man jetzt also ernsthafte Hypothesen über die Evolution des Menschen und speziell seiner Kognition stellen, wenn man über Fosslilien so gut wie gar keine direkten Rückschlüsse ziehen kann?


Es gibt zwei Wege dies zu tun. Der eine geht über den Vergleich mit unseren rezenten nächsten Verwandten und das sind nunmal die afrikanischen Menschenaffen. Der andere geht über Arten, welche Verhaltensweise zeigen die den unsrigen analog sind, d.h. die diesselbe Struktur haben, jedoch unabhängig von den unsrigen entstanden sind.
Aus diesen Beobachtungen kann man nun schauen, ob man Korrelationen zwischen bestimmten Verhaltensweisen (z.B. der Fortpflanzungstrategie) und dem Körperbau findet. Findet man diese, kann man nun Rückschlüsse auf die Lebensweise von Fossilen Formen machen.
Wie man sicher sehen kann, ist die Reichweite dieser Methode begrenzt, doch ist sie die einzige mit der man sichere und tatsächlich überprüfbare Aussagen treffen kann.


Mit Sicherheit sind bestimmte, aus der Primatologie bzw. Soziobiologie abgeleitete Aussagen sehr gewagt.
Doch muss man, um den Menschen aus biologischer Sicht zu verstehen, auch die Frage stellen welche Ursprünge unsere Moral und unsere Kultur haben und dafür haben wir nunmal nur Schimpansen und Bonobos, da alle phylogenetisch uns näher stehenden Arten ausgestorben sind.
Ich kann mir den Eindruck nicht vernkeifen, dass der Autor des Artikels in den Ausführungen Lovejoys (der selber immer wieder vergleiche zu anderen Tieren in seinem Artikel benutzt hat), eine willkommene Gelegenheit gesehen hat seine persönlichen Ansichten zu den Versuchen von Primatologen das Verhalten des Menschen aus biologischer Sicht zu erklären, in die Öffentlichkeit zu tragen. Dabei hat er (wie bereits erwähnt) jedoch vollkommen außer Acht gelassen, dass dies nicht die primäre Intention Lovejoys war.

Hier zeigt sich wiedereinmal das Problem, wenn Journalisten sich nicht tief genug mit einer speziellen Materie auskennen um sie wirklich kritisch betrachten zu können.
Dies ist vor allem deshalb gefährlich, weil ein großteil der Menschen nicht die Originalartikel liest (bzw. sie verstehen kann) und sich auf die, in Zeitungen und populären Wissenschaftsmagazinen veröffentlichten, Zusammenfassungen stützten. Und wenn diese falsch sind, dann haben auch ein großteil der Leute ein falsches Bild über eine bestimmte Sache.

Ardipithecus und Schimpansen

Angestachelt duch diesen Artikel habe ich mich heute mal etwas näher mit dem Artikel Owen Lovejoys über Konsequenzen des Ardipithecus Fundes für Fragen zum Ursprung des Menschen im Allgemeinen auseinandergesetzt (auf den verlinkten Artikel werde ich nochmal gesondert eingehen).
Owen Lovejoy entwickelte in den 80er Jahren das "Paarbindugs-Modell", das die Bipedie nicht aufgrund spezifischer Nahrungstrategien durch ein veränderteres Paarungsverhalten erklären sollte. Demnach wandelte dich die Lebensweise der frühen Homininen von einer eher promisken zu einer monogamen.
Dieses Modell war schon damals umstritten, da die Monogam lebenden Gibbons keinerlei Sexualdimorphismen zeigen, wohingegen (die angeblich Monogam lebenden) Homininen durchaus sexual dimorph (das heißt, Männchen und Weibchen unterscheiden sich in ihrem Aussehen stark voneinander) waren.
Lovejoy hebt in seinem Artikel unter anderem erneut dieses Modell aus Versenkung.

Kernpunkt seiner Argumentation ist, dass Ardipithecus zeigt das der letzte gemeinsame Vorfahr von Mensch und Schimpanse nicht wie ein Schimpanse oder ein anderer rezenter Menschenaffe aussah, sondern in seiner Gestalt wesentlich ursprünglicher war. Daraus folgert er, dass nur auf dem Vergleich zu großen Menschenaffen fußende Modelle zum Usrprung des Menschen nicht sonderlich tauglich sind um den tatsächlichen Verlauf Evolution des Menschen hinreichend erklären zu können.
Vor allem aufgrund der Eckzähne (die bei Ardipithecus wesentlich kleiner sind als bei Schimpansen und Gorillas) schließt er, dass die Männchen, anders als Schimpansen nicht aggresiv um die Weibchen gekämpft haben, Nahrungsteilung und Koorperation eine wesentliche größere Rolle bei der Partnerwahl eine Rolle spielten. Erneut begründet er die Enstehung des aufrechten Ganges mithilfe dieser veränderten Fortpflanzungstrategie.

Soviel zu seiner Behauptung: Die Frage ist jetzt, wie gut ist sie gestützt?
Interessant finde ich, dass er, wenn es in sein Argumentationsschema passt, darauf aufmerksam macht, dass die afrikanischen Menschenaffen viele ihrer (anscheinend) gemeinsamen Merkmale unabhängig voneinander erworben und das der letzte gemeinsame Vorfahr von Mensch und Schimpanse einen eher ursprünglichen Bauplan hatte. Jedoch geht er, wenn es um die Reproduktionstrategie geht, davon aus, dass die Strategie der afrikanischen Menschenaffen (die Männchen prügeln sich um die Weibchen), die ursprüngliche Form ist.
Ich stelle mir an dieser Stelle nur die Frage, wieso sollte dieses Merkmal nicht auch mehrmals unabhängig voneinander entstanden sein?
Interessanterweise geben Bonobos (die er gepflegt ignoriert) gute Anzeichen dafür, dass die von ihm postulierte "speziell menschliche" Reproduktionsweise, auch bei uns nahe verwandten Arten auftauchen. Bonobos haben einen verdeckten Östrus und auch ihr Sexualdimophismus ist bei weitem nicht so groß wie beim Schimpansen. Es könnte also durchaus der Fall sein, dass die "speziell menschliche" Strategie eher einen ursrünglichen Merkmalszustand anzeigt.
Zudem besitzen fossile Menschenaffen und jüngere Hominidenformen (Orrorin tugenensis, Sahelanthropus tchadensis), auch verkleinerte Eckzähne, was Lovejoys interpretationen von einer Korrelation von Bipedie und Reproduktionsform äußerst unwahrscheinlich erscheinen lässt.

Ich stimme mit Lovejoy überein, wenn es darum geht zu sagen, dass der letzte gemeinsame Vorfahr von Mensch und Schimpanse kein Schimpanse war. Doch teile ich nicht seine Schlussfolgerungen die er aus dieser Tatsache zieht.

Literatur 
Lovejoy, O. (2009). Reeaxamining Human origins in the Light auf Ardipithecus ramidus
Henke W., Rothe H. (1994). Paläoanthropologie. Springer Verlag, Berlin, Heidelberg, New-York.

02.10.2009

Ardipithecus und die Medien

Bevor ich mich auf die wissenschaftlichen Aspekte dieses Fundes stürze wollte ich noch etwas über die Darstellung des Fundes in den Medien sagen.

Wie üblich ist es nicht wirklich berauschend, bei "Nano"  wird behauptet, dass "Ardi" (so wurde das Skelett getauft) der älteste bekannte Vorfahr des Menschen sei.


Mehrere Dinge an dieser Annahme sind nicht richtig. Zum einen gibt es ältere Fossilien die man ebenfalls zu den Homininen zählt, der Unterschied ist nur, dass sie nicht so komplett sind wie das Ardipithecus Skelett. Zum anderen ist noch vollkommen unklar, ob Ardipithecus wirklich ein Vorfahre des modernen Menschen ist.


In den Medien wird häufig der Fehler gemacht, dass man die Evolution des Menschen als eine Art Stufenleiter (der Akademiker sagt auch "Scala naturae" dazu) darstellt, die eine gerade Linie von der ursprünglichsten Form hin zum modernen Menschen zieht. Allerdings gibt es keine solche Stufenleiter in der Natur, jede Art (ob rezent oder Fossil) hat für sich eine spezielle Nische gefunden in der sie sich ausbreitet. Externe Faktoren können dann dazu führen, dass einzelne Populationen dieser Art voneinander isoliert werden, im Laufe der Zeit differenzieren sich diese Populationen dann in neue Nischen aus und neue Arten entstehen. Zusammenfassend heißt das, eine gradualistische (voranschreitende) Evolution ganzer Arten gibt es nicht. Schon allein von dieser Tatsache her, ist die Wahrscheinlichkeit gegeben, dass Ardipithecus, wie so viele andere Homininenformen, kein direkter Vorfahr ist sondern eher, dass wir mit Ardipithecus einen gemeinsamen Vorfahren teilen.


Die wichtige Frage in Bezug auf die stammesgeschichtliche Verwandtschaft von Ardipithecus und dem modernen Menschen müsste vielmehr sein, wann sich die Linien vom modernen Menschen und von Ardipithecus gespalten haben.


Ein Aspekt, warum in meinen Augen Ardipithecus so interessant ist, ist weil man die Frage stellen kann, ob Ardipithecus und die gesamten Australopithecinen nicht möglicherweise eine Schwestergruppe zu den Homininenformen bilden zu denen auch der moderne Mensch zu zählen ist, demnach also nicht in einer direkten Vorfahrenlinie zum modernen Menschen stehen. Für diese Annahme gibt es zwar noch nicht sonderlich viele Indizien, doch sollte man vielleicht diese Möglichkeit in Betracht ziehen.


Ein weiterer Punkt der mich immer ärgert, ist das in diesem Kontext immer der Begriff "missing link" fällt. Aus meinen obigen Ausführen wird bereits deutlich, dass keine Art an sich ein Verbindungsstück zwischen zwei anderen Arten bilden kann. Vielmehr führt dieser Begriff und sein inflationärer Gebrauch dazu, dass eine komplette Wissenschaft ins lächerliche gezogen wird.


Der Beitrag bei Nano endete mit dem Satz "Die Wissenschaft hat viel gelernt." Das stimmt so auch nicht, die Ausführungen der beteiligten Wissenschaftler sind von ihnen aufgestellte Hypothesen, welche zunächst einmal innerhalb der Wissenschaftsgemeinschaft diskutiert werden müssen (und das passiert bereits). Hier werden im Laufe der Zeit sicher einige Aussagen relativiert werden müssen.


Hier ist auch die Gefahr die ich sehe:
Ardipithecus wird momentan als etwas dargestellt, was die Evolution des Menschen revolutioniert und einen Großteil der gängigen Annahmen in Frage stellt. Wenn sich nun aber herausstellt, dass viele der aufgestellten Hypothesen falsch sind, dann heißt dies im Umkehrschluss, dass sich die komplette Paläoanthropologie mal wieder geirrt hat. Diese Ereignisse werden in aller Regel gerne von Personen propagandistisch ausgeschlachtet, die meinen der Mensch sei durch einen magischen Schöpfungsakt entstanden.


Warum wird dies trotzdem immer wieder so praktiziert?
Nun das liegt zum einen an den Medien, die lieber Sensationsnachrichten verkaufen, als ein Thema tatsächlich diskutieren wollen. Zum anderen liegt dies aber auch an den Wissenschaftlern, die sich in eine solche Maschinerie einspannen lassen. So erscheint bereits nächste Woche in den USA eine Dokumentation über diesen Fund. Dies lässt den Schluss nahe, dass erneut (wie schon bei "Ida" im letzten Frühjahr) von den Beteiligten diverse Sachverhalte spektakulärer dargestellt werden als sie letztendlich sind.

Ich finde dies alles sehr bedauerlich, denn in der Tat bietet Ardipithecus viel Stoff für Diskussionen (vermutlich über die nächsten 10-15 Jahre) aber ein einzelnes Fossil war und wird niemals alle Fragen zur Evolution des Menschen klären können und es wäre schön, wenn die Medien dies endlich auch mal so darstellen könnten.


Ich hoffe ich werde in den nächsten Tagen in der Lage sein, darstellen zu können, was genau an diesem Fossil jetzt toll ist und wo die Autoren vielleicht etwas über ihr Ziel hinausgeschossen sind.


Nachtrag:
Warum zum Teufel schaffen die Herren/Damen bei Nano es eigentlich nicht "Antrhopologen" von "Archäologen" zu unterscheiden? Auch in diesem Bericht wird von Archäologen gesprochen, wenn ganz eindeutig Anthropologen die Arbeit gemacht haben.

Was lange wärt...

...wird ganz interessant.

Heute sind in der Zeitschrift Science eine Reihe Artikel zu Ardipithecus ramidus erschienen, eine Homininenform welche vor gut 4,5 Millionen Jahren lebte. Die Verantwortlichen dieses Projektes haben 15 Jahre lang an dieser Sache gearbeitet und das Ergebnis ist zumindest ziemlich umfangreich, besteht doch die ganze Ausgabe von Science nur aus Artikeln zu Ardipithecus.

Die ganze Sache ist ziemlich aufregend, das ist das erste Mal das ich eine solche Geschichte von Anfang an erlebe. Ähnlich wie die Forscher sich mit Ardipithecus Zeit gelassen haben um am Ende einen Umfangreichen Überblick zu liefern, so werde auch ich mir etwas Zeit nehmen und die Artikel genau studieren.

Wer jedoch schon einmal einen guten Überblick über die möglichen Probleme dieser Sache bekommen möchte dem sei der Blog von John Hawks ans Herz gelegt.

18.09.2009

Neues von der GfA: Schluss

Guten Abend,


Ich möchte gar nicht größer über den Verlauf der letzten beiden Tage referieren, sondern sogleich zum Wesentlichen kommen und von der Mitgliederversammlung (die gestern stattfand) berichten:


Eines dazu vorweg, ich bin den Organisatoren dankbar dafür, dass sie zu dieser Versammlung auch nicht-Mitglieder zugelassen haben (wobei einige dies im Nachhinein sicher bereuen).


Ich möchte mich bei den Schilderungen über die Mitgliederversammlung auf zwei Diskussionen konzentrieren, die meiner Meinung nach, das Dilemma in dem die deutsche Anthropologie steckt wunderbar aufzeigt.

Bei der ersten Diskussion ging es um die Umbenennung des „Anthropologischen Anzeigers“, der quasi das Hausblatt der GfA ist. Dieser sollte einen neuen, englischen Titel bekommen um den internationalen Charakter des Journals hervorzuheben.


Die Vorschläge die dazu gebracht hatten teilweise Ähnlichkeiten zu dem Begriff „Eierlegendewollmilchsau“, da sie (verzweifelt) versuchten ein möglichst großes thematische Spektrum widerzuspiegeln ohne irgendeiner Fachrichtung dabei ans Bein pinkeln zu wollen.
Bei einfacheren Vorschlägen, wie z.B. „The Anthropologist“ wurde bemängelt, dass dies aus gendertechnischen Gründen nicht annehmbar sei. Andere Fachgruppen (z.B. die Pädagogen) sahen die Gefahr durch einen zu allgemeinen Titel bestimmte Richtungen zu verschrecken.
Man sollte sich an dieser Stelle mal vergegenwärtigen um was hier gestritten wurde: Die Hauszeitschrift einer biologischen Gesellschaft, deren Aufgabe es ist den Menschen unter streng biologischen Gesichtspunkten zu betrachten, fürchtet darum das andere, nicht biologisch orientierte, Fachgruppen ihrem Journal fernbleiben.
Meine Meinung dazu ist, wenn andere Fachgruppen etwas zu sagen haben, was nicht unter eine streng biologische Prämisse fällt, so hat dies auch nichts im Hausblatt der Gesellschaft für Anthropologie verloren.


Die zweite Diskussion an diesem Abend war, für mich persönlich, mehr als nur bestürzend:
Der Vorstand der GfA fragte bei den Mitgliedern an, wie sich die GfA in der vorherrschenden Debatte zum Kreationismus aufstellen sollte und ob sie, gegebenenfalls, öffentlich tätig werden sollte.
Die Diskussion zu diesem Thema schlug relativ hohe Wellen, als jedoch eine Person den Einwand brachte, dass es in der Schule erforderlich sei, beide, wie sie es nannte, „Vorstellungen“ gleichwertig im Biologieunterricht unterrichtet werden sollten, ist mir beinahe der Kopf geplatzt. Um zu verhindern, dass ich ein Magengeschwür bekomme, habe ich mich daraufhin zu Wort gemeldet (wohl gemerkt, ich bin kein GfA Mitglied) um meine Meinung zu diesem Thema zu sagen, die ungefähr wie folgt lautet:


(Anmerkung: Dies wird hoffentlich das einzige Mal sein, dass ich mich in diesem Blog zum Kreationismus äußern muss, ich finde diese Diskussion eigentlich müßig.)


Man muss sich bei der Diskussion um Kreationismus und Evolutionstheorie, aus naturwissenschaftlicher Sicht, denn darum geht es ja, wenn die Forderung aufkommt die Schöpfungslehre im Biologieunterricht unterzubringen, folgende Frage stellen: Ist die von Kreationisten vorgebrachte „Theorie“ der Entstehung des Lebens durch einen einmaligen Schöpfungsakt tatsächlich eine Theorie?
Wissenschaftliche Theorien müssen an sich nur eine einzige Regel befolgen: Sie müssen widerlegbar sein. Wie kann ich jedoch die Theorie, dass alles Leben auf der Erde durch eine omnipotente, nicht direkt wahrnehmbare, Macht entstanden ist überprüfen? Die Antwort ist ziemlich simpel: Es geht nicht! Darum erübrigt sich jede Diskussion über eine Gleichbehandlung von Evolutionstheorie und Kreationismus im Rahmen der Naturwissenschaften und deshalb hat sie auch nichts im Biologieunterricht verloren. Von mir aus können Schöpfungslehre und andere Dinge im Religionsunterricht gelehrt werden, doch sollten sie auch dort bleiben.

Mit diesem Kommentar habe ich wohl bei einer anderen Person einen Nerv getroffen, denn es wurde der Antrag gestellt, dass doch bitte nur GfA Mitglieder Wortbeiträge vorbringen sollten, dieser Antrag wurde jedoch (sehr lautstark) abgeschmettert.
Letztendlich verblieben die Anwesenden dabei dem Vorstand die Aufgabe zu überlassen einige Dinge zu diesem Thema auszuarbeiten.

An dieser Stelle sollte man sich nochmals ganz ruhig vor Augen führen, was dort passiert ist. In der biologischen Disziplin, die am stärksten in in der Öffentlichkeit steht wenn es um die Evolutionstheorie geht, gibt es Personen die der Meinung sind, dass Kreationismus und Evolutionstheorie (wissenschaftlich) auf einer Stufe stehen!
Zudem sieht man hier das Problem, wenn in einer „Wissenschaft“ zentrale Theorien kaum vorhanden sind: Die Fähigkeit wissenschaftlich zu denken geht ein und verkümmert.
Ich vermute allerdings, dass dieses spezielle Problem auch in anderen Disziplinen der Biologie auftaucht.


Nach der Mitgliederversammlung hörte ich eine andere Person sagen: „Dieses Fass aufzumachen, war ein Fehler.“ Doch ist es das wirklich? Ich denke nicht. Diese Problematik muss diskutiert werden, denn es geht hierbei auch um das Wesen der Anthropologie als ganzes und mit dem Motto „Kopf einziehen“ ist niemandem gedient.

Nach dieser Schilderung möchte ich nun zu meinem Schlusswort kommen:


Zwar gibt es einige hoffnungsvolle Ansätze innerhalb der GfA, doch liefern ein Gros der vorgestellten Studien ein eher dürftiges Bild ab, wenn es um die Einbettung der Evolutionstheorie in ihre Fragestellungen geht. Die interessantesten Vorträge in diesem Kontext wurden von Auswärtigen Personen vorgestellt.
Gravierend ist in meinen Augen auch das nahezu komplette Fehlen der Palöanthropologie (1 Poster) und der Primatologie (1 Vortrag) auf dieser Tagung.
Ich weiß nicht warum dies der Fall ist, doch ist es zwingend erforderlich diese Bereiche zu stärken und auszubauen, will man sie nicht vollständig verlieren.
Alles in allem gehe ich eher mit einer negativen Einstellung aus dieser Tagung heraus, meine an sich schon niedrig gesetzten Erwartungen, wurden an einigen Stellen sogar unterboten.
Allerdings gibt es auch einige Punkte, die zumindest einen kleinen Grund zur Hoffnung bieten.
Ich denke, gerade den jetzt nachrückenden jungen Leuten kommt die wichtige Aufgabe zu, das Bild der Anthropologie in Deutschland so zu verändern, dass sie endlich die in sie gesteckten, hohen Erwartungen erfüllt und endlich den Platz einnehmen kann den sie verdient.

Doch ist es bis dahin ein weiter Weg und er erfordert eine Menge Offenheit gegenüber neuen Ideen und auch gegenüber, vielleicht schmerzhafter, Kritik.

16.09.2009

Neues von der GfA: Tag 2

Guten Abend zusammen,


Der heutige Tag war äußerst wechselhaft.


Eine der interessantesten Punkte an dem heutigen Tag kam in einem Vortrag über Stereotype vor. In diesem machte die Referentin, Johanna Forster, darauf aufmerksam, dass es mittlerweile in bestimmten Kreisen (hauptsächlich für Personalabteilungen) Ratgeber gibt, welche versprechen, dass man anhand typologischer Merkmale des Gesichts exakt die Persönlichkeitseigenschaften ablesen könnte. Dies erinnert in vielen Punkten stark an die Phrenologie, die im 19. Jahrhundert praktiziert wurde. Frau Forster machte auch sogleich darauf aufmerksam, dass es die Aufgabe der Anthropologie sei, diese Aspekte zu bekämpfen. Ferner sehe ich noch bestimmte Befürchtungen von Christian Vogel bestätigt: Durch ein fernbleiben einer konsequenten Umsetzung der Evolutionstheorie innerhalb der deutschen Anthropologie, ist noch immer ein Vakuum vorhanden, in das diese Vorstellungen einfließen und gedeihen können.


Zudem gab es noch von Uwe Krebs ein sehr engagiertes Plädoyer (was ich leider teilweise verpasst habe, weil ich zu spät gekommen bin) darüber, dass die Anthropologie einen größeren Beitrag zur Pädagogik besteuern sollte als bisher. Über die Qualität dieser Beiträge der Anthropologie zur Pädagogik kann ich an dieser Stelle nicht viel sagen, da mir das wissen fehlt. Doch habe ich in der Argumentation von Herrn Krebs einige Dinge wiederfinden können, von denen ich meine, dass die Anthropologie dies tun sollte (wie man hier nachlesen kann).


Nach dieser Sitzung, die am frühen Nachmittag stattfand, ging es jedoch mit meiner Begeisterung bergab. Die Präsentation der Posterbeiträge war äußerst ernüchternd. Bestanden diese doch falls Ausnahmslos aus Fallstudien oder Auszügen prähistorischer Untersuchungen, welche nicht in einer größeren Fragestellung eingebettet sind. Das einzige Poster mit einem Paläoanthropologischen Bezug, ist leider auch von, wie ich meine, eher niedrigerer Qualität. Zudem war es mir nicht möglich, den Verfasser dieses Posters näher zu einige Punkte befragen zu können, so dass ich bis jetzt auch der Meinung bin, dass viele Dinge die er behauptet eher Zweifelhafter Natur sind.


Der Tag wurde von einer Reihe von Vorträgen unter dem Oberbegriff „Facetten der Anthropologie“ beschlossen, diese beinhalteten: Zwei Einzelfallstudien ( der Schädel von Friedrich Schiller und etwas über „Ötzi“), eine, wie ich finde, sehr detaillierte und gute Darstellung von Gisela Gruppe zur Untersuchung stabiler Isotope bei Tierknochen (diese Beschreibung ist eigentlich vollkommen unzureichend, aber mir fehlt die Zeit das genauer auszuführen) und letztendlich einer Darstellung bestimmter Aspekte aus Charles Darwins Werken, welche aufzeigen, wie häufig er bestimmten Fragen vorgegriffen hat.


Auch hier stelle ich mir wieder die Frage, warum an dieser Stelle kein Paläoanthropologe gesprochen hat. Denn die Untersuchung der Evolution des Menschen ist doch schließlich eine der Hauptfacetten der Anthropologie. Ich werfe dies nicht den Veranstaltern vor, doch finde ich die generelle Abwesenheit der Paläoanthropologie auf dieser Tagung äußerst Besorgniserregend.


Soviel für heute, das Programm zu Morgen lässt mich etwas erschaudern, weil mich irgendwie so gar nichts interessieren will, doch werde ich mir die Dinge trotzdem ansehen und so wertfrei wie irgend möglich beurteilen.


Gute Nacht!

15.09.2009

Neues von der GfA: Tag 1


Guten Abend,
Nach einer ewig langen Anreise und einem furchtbar anstrengendem restlichen Montag, nun mein erster Zwischenbericht aus München:
Was schon gestern interessant war zu sehen, dass auch bei den Anthropologiestudenten aus anderen Universitäten Deutschlands ein gewisses Bewusstsein dafür da ist, dass die deutsche Anthropologie in einer recht prekären Lage ist.
Selbiges wurde heute nochmals von Wolf Schiefenhövel (ich hoffe ich habe den Namen jetzt richtig geschrieben) angesprochen. Allerdings, stimme ich, bis jetzt, nicht mit seiner Meinung überein, dass die bei dieser Tagung vorgestellten Themen zeigen, dass die deutsche Anthropologie besser da stünde als ihr Ruf.
Die Bestätigung meines, eher negativen, Eindrucks wurde mir sogleich im ersten Vortrag geliefert, von dem ich der Meinung bin, dass er in seiner hier präsentierten Form, eher auf einem Archäologenkongress vorgestellt werden müsste als auf der Tagung de GfA. Zur Anmerkung, ich kritisiere hier nicht die Qualität des vorgestellten Sachverhalts.
Allerdings gibt es auch einige schöne Dinge zu berichten:
So durfte ich einem Vortrag von Israel Hershkovitz zuhören, der über „darwinistische Medizin“ gesprochen hat. Der Begriff sagte mir erstmal nichts, doch ging es in dem Vortrag darum, die Stammesgeschichtliche Vergangenheit des Menschen bei der Untersuchung nach den Ursachen bestimmter Krankheitsbilder mit einzubeziehen.
Das wichtigste sagte er jedoch zum Schluss seines Vortrages: Er sagte, dass wenn die Anthropologie nicht bereit wäre der darwinistischen Medizin, so laufe sie Gefahr zu einer „Indiana Jones Wissenschaft“ zu werden.
Meine Interpretation dieses Satzes ist folgende: Ist die Anthropologie nicht bereit eine Art „evolutionsbiologische Schnittstelle“ zwischen anderen Wissenschaften einzunehmen, so läuft sie Gefahr auf eine Zuarbeiterwissenschaft für die Archäologie und Geschichtsforschung reduziert zu werden (ein Punkt den man in diesen Tagen in München gut beobachten kann).
Der andere Interessante Vortrag kam von Kornelius Kupczik und befasste sich mit einer sehr interessanten Methodik über die man die Auswirkungen von Stress auf bestimmte Knochenstrukturen darstellen kann. Er stellte dies im Rahmen der Fragestellung vor, ob die großen Überaugenwülste bei vielen Primaten und frühen Hominiden ein Resultat großer Kaudrücke seien. Seinen Untersuchungsergebnissen zufolge trifft dies nicht zu.
So nebenbei war dieser Vortrag wunderbar präsentiert, im Gegensatz zu manch anderem heute.

Ansonsten gabs viel Prähistorisches, wobei sich die Strukturen der Vorträge weitestgehend glichen.
Soviel für Heute, ich bin doch überrascht das es doch zwei Themen gab die mich etwas gepackt haben und ich hoffe sehr, dass es so weitergeht. Morgen trifft sich übrigens der wissenschaftliche Nachwuchs, ein Termin den ich auf keinen Fall verpassen werde und ich bin sehr gespannt, was da so alles erzählt wird.
Bis Morgen!

12.09.2009

Was erwarte ich von der nächsten Woche?

Gut, von welchen Prämissen habe ich in meinem letzten Artikel überhaupt gesprochen?


Im Grunde genommen geht es mir in der nächsten Woche darum zu überprüfen, inwiefern mein hier geäußertes Verständnis der Anthropologie auch tatsächlich in der Realität vorhanden ist.


Dabei möchte ich folgende Parameter ansetzen:


1. Wie stark ist die deutsche Anthropologie noch von typologischen Vorstellungen durchsetzt?
2. Wie groß ist der Anteil evolutionsbiologischer Fragestellungen innerhalb der deutschen Anthropologie?
3. Welche Rolle spielen deskriptive Studien in der deutschen Anthropologie und wie viel Sinn machen sie an den eingesetzten Stellen?
4. Gibt es Bestrebungen die deutschen Anthropologie stärker in der Schnittstelle zwischen Natur- und Geisteswissenschaften zu platzieren als es bislang der Fall war? Und falls ja, wie wird dies versucht?


Ich habe keine große Hoffnung, dass die oben genannten Prämissen im großen Stile umgesetzt werden, dazu fehlen eindeutig die Anzeichen. Was ich jedoch herausfinden möchte ist, aus welchen Gründen dies nicht getan wird.
Hierzu werde ich dann ab nächster Woche jeden Tag meine Eindrücke schildern (Glücklicherweise gibt es einen Wlan Zugang nicht weit von der Jugendherberge entfernt).


Bis dann!

Prähistorische Anthropologie

Vorneweg möchte ich noch eines sagen, dieses Feld gehört nicht wirklich zu meinen Lieblingsbereichen, weswegen mein Wissen dazu auch recht begrenzt ist.


Aber gut, kommen wir nun zum wesentlichen: Ziel der prähistorischen Anthropologie ist es die "Grundsätzlichen Lebensbedingungen und Probleme des Menschen in der Geschichte" darzustellen. Unter diesem Satz kann man ne ganze Menge verstehen, aber was sollte man darunter verstehen und was eher nicht?
Im meinem Studium kam mir unter anderem noch folgende Definition unter: Während in der Paläoanthropologie die Makroevolution des Menschen, also die Evolution hin zu unserer Art, betrachtet wird. Wird in der Prähistorischen Anthropologie die Mikroevolution des modernen Menschen betrachtet. Also im Grunde genommen die biologischen Prozesse denen er seit seines ersten Auftauchens ausgesetzt ist.
Von großer Bedeutung ist hierbei der Punkt, dass man um diese biologischen Prozesse nachvollziehen zu können nicht auf die Individuen achtet, sondern versucht ganze Populationen zu betrachten. Dies wird durch die Untersuchung der Skelettbefunde alter Friedhöfe bewerkstelligt. Wobei an diesem Punkte die Frage wichtig ist, ob die untersuchte Friedhofspopulation tatsächlich eine reale Population repräsentiert. Ohne diesen Vorgang könnte man nämlich keine verlässlichen Aussagen darüber treffen, wie sich diese vergangenen Populationen tatsächlich verhalten haben und welchen Lebensbedingungen sie ausgesetzt waren.


Dies ist jetzt alles ziemlich schwammig, aus diesem Grunde ein kleines Beispiel einer, wie ich finde, guten prähistorischen Untersuchung: Es geht hierbei um die Frage ob die in Mitteleuropa ansässigen Menschen den bereits vor über 10000 Jahren im Nahen Osten praktizierten Ackerbau übernommen haben, oder ob Menschen aus anderen Regionen diesen nach Europa gebracht und die lokalen Populationen verdängt haben.
Wer genauer wissen will wie sich diese Sache verhält sei dieser Artikel zu empfehlen.


Jedenfalls hat diese ganze Untersuchung eine streng evolutionsbiologische Fragestellung: Wurde die lokale Bevölkerung verdängt oder übernahm sie die neuen kulturellen Errungenschaften der Fremden?
Nun gut, auch hier stellt sich die Frage, wie stark die prähistorische Anthropologie im Allgemeinen vom typologischen Arbeiten der Vergangenheit weggekommen ist und sich einer mehr populations-/ bzw. evolutionsbiologischen Richtung angenähert hat.


Im Tagungsprogramm der GfA (Raum 1, Raum 2) finden sich ein paar Titel die eher auf Einzefallbeschreibungen hindeuten, die streng genommen, keine große wissenschaftliche Aussagekraft besitzen. Und auch viele der anderen Vorträge machen auf mich eher einen rein deskriptiven Eindruck, als einen Theoriegeleiteten.
Gut, auch hier gilt: "Never judge a book from its cover". Also werde ich mir das alles Mal ansehen und im Nachhinein entscheiden, wie gut sich die einzelnen Vorträge mit den hier aufgestellten Prämissen decken.

Literatur:
Hermann, B., Grupe, G., Hummel, S., Piebenbrink, H., Schutowski, H. (1990). Prähistorische Anthropologie. Springer Verlag, Berlin, Heidelberg, New York.

01.09.2009

Die deutsche Anthropologie und ihr Theoriedefizit

Wie schon angekündigt, habe ich mich in den letzten Tagen etwas näher mit dem Aufsatz von Christian Vogel "Biologische Perspektiven der Anthropologie: Gedanken zum sog. Theoriedefizit der biologischen Anthropologie in Deutschland" auseinandergesetzt.


Christian Vogel kritisiert in diesem Aufsatz, dass die deutsche Anthropologie, sie seit ihrer Entstehung im 19. Jahrhundert, die Evolutionstheorie nur sehr zögerlich in ihre Definition einfließen lässt. Zwar verwiesen Anthropologen bei der Definition ihres Faches schon immer auf die Evolutionstheorie, doch waren diese Verweise immer so schwammig und weit gefasst, dass noch ein enormer Raum für typologische und narrative Elemente blieb.
Christian Vogel sieht in diesem losen Umgang mit der Evolutionstheorie einen Hauptgrund für die ideologischen Auswüchse des frühen 20. Jahrhunderts, von denen der Sozialdarwinismus sicher das prominenteste Beispiel ist.


An diesem losen Umgang hat sich bis zu dem Zeitpunkt an dem Vogel den Aufsatz schrieb (1982) nicht wirklich etwas geändert, noch immer waren typologische und deskriptive Elemente Hauptbestandteile der Anthropologie. Zwar seien die Analysemethoden wesentlich ausgereifter, doch die theoretische Grundlage würde noch immer fehlen.
In diesem Zusammenhang kommt Vogel dann auf die Soziobiologie zu sprechen, jenem Zweig der Biologie welche versucht das Verhalten von Organismen aus einer evolutionsbiologischen Perspektive zu betrachten, was selbstverständlich auch den Menschen miteinschließt. Doch auch dieser Zug fuhr (zunächst) an der Anthropologie vorbei.
Letztendlich fordert Christian Vogel, dass sich die deutsche Anthropologie sich diesen Herausforderungen Stellen muss um nicht erneut ein Vakuum für Ideologien zu bilden. Hierzu müsste überprüft werden, wie stark sich die Prinzipien der Soziobiologie in die einzelnen Felder der Anthropologie (Prähist. Anthropologie, Demographie, Populationsgenetik, Humanökologie) tragen lassen.


Soviel also zum Inhalt. Doch was hat sich in den letzten 27 Jahren getan?
Ein Blick auf das Tagungsprogramm der GfA zeigt, dass sich auf den ersten Blick nicht wirklich viel passiert ist: Ein Großteil der vorgestellten Arbeiten scheinen deskriptiver Natur zu sein. Das Wort "Evolutionstheorie" kommt so gut wie garnicht vor, dafür aber jede Menge Einzelfallstudien.
Die Soziobiologie hat in Deutschland zwar Fuß gefasst, dank der Arbeit Christan Vogels (der leider mittlerweile verstorben ist), aber auch dank Eckhart Voland. Doch, wie es mit dem einfließen der Soziobiologie, oder etwas weiter gefasst, mit der Evolutionstheorie in die Felder der Anthropologie steht, mag ich nicht beurteilen.
Auf dem ersten Blick scheint es jedenfalls so zu sein, dass sich nicht wirklich etwas Grundlegendes geändert hat. Jedoch fehlt es mir, um dies abschließend beurteilen zu können an Wissen. Vielleicht wurde ja versucht diese Prinzipien in die Felder hineinzutragen und die Leute sind gescheitert? Oder vielleicht haben sie keine Möglichkeiten die nötigen Untersuchungen durchzuführen und sind quasi dazu verdammt Wissenschaft auf einem niedrigerem Niveau betreiben zu müssen. Natürlich kann es auch sein, dass viele der bei der Tagung vorgestellten Themen garnicht so schlimm sind, wie es die Titel vermuten lassen.


Dies sind die Fragen die ich mir stelle und diese Fragen sind der Grund warum ich nach München fahren werde. Ich hoffe sehr, dass ich mich in meinen Annahmen täusche, jedoch habe ich große Zweifel, dass dies tatsächlich passieren wird.


Soviel für diese Woche. Nächste Woche setze ich mich etwas mit der Prähistorischen Anthropologie auseinander, weil ein Großteil der vorgestellten Themen aus diesem Felde kommt. Hierzu werde ich einige Kapitel aus dem Standardlehrbuch für dieses Fach ("Prähistorische Anthropologie" von Bernd Hermann und Kollegen) lesen. Vor allem das Schlusskapitel in dem sich die Autoren den theoretischen Grundlagen ihres Faches auseinandersetzen.


Alles Gute.




Literatur:
Vogel, C. 1982. Biologische Perspektiven der Anthropologie: Gedanken zum
sog. Theorie-Defizit der biologischen Anthropologie in Deutschland. Z. Morph.
Anthrop., 73, 225-236.

29.08.2009

Einige Dinge

Ich hab jetzt mal wieder länger nichts mehr von mir gegeben, hauptsächlich weil ich recht viel mit einer Arbeit beschäftigt war. Ich würde ja gerne etwas dazu erzählen, doch ist das Thema so komplex (manch einer würde auch sagen "langweilig"), dass hier nicht der Raum ist, um es zu diskutieren.

Jedenfalls habe ich mir vorgenommen, diesem Blog in nächster Zeit etwas mehr Aufmerksamkeit zu schenken, als er bisher bekommen hat. Was dies genau für die nächsten Wochen heißen wird, möchte ich jetzt kurz erläutern.

Wie ich in meinem zweiten Post angedeutet habe, findet im September (genauer gesagt, vom 14. bis zum 18.) in München die Jahrestagung der Gesellschaft für Anthropologie statt.

Ein Blick auf das Tagungsprogramm (welches man sich auf der Homepage der GfA www.gfanet.de ansehen kann) zeigt vor allem eines, vieles von dem was ich unter Anthropologie verstehe, ist auf der Tagung eher unterrepräsentiert. Ich werde trotzdem nach München fahren, weil ich mir persönlich ein Bild über die ganze Situation machen möchte.

Meine Erlebnisse werde ich, je nachdem ob ich dort einen Internetzugang haben werde, entweder jeden Tag, oder nach Ende der Tagung hier darstellen und kommentieren.

Um mir selber ein möglichst gutes Bild über die Tagung machen zu können, werde mich ich in den nächsten zwei Wochen mit einigen Dingen näher auseinandersetzen und aufgrund dieser Informationen dann einen bestimmten Erwartungshorizont formulieren. Ich habe vor, diesen Prozess auch hier in dem Blog darzustellen, damit man das, was ich letztendlich von der Tagung berichte, auch im richtigen Kontext versteht.

Anfangen werde ich nächste Woche mit einem Artikel von Christian Vogel aus dem Jahre 1982 mit dem schönen Titel: "Biologische Perspektiven der Anthropologie: Gedanken zum sog. Theoriedefizit der biologischen Anthropologie in Deutschland".

Alles gute.

10.07.2009

Was ist der Mensch?


Hallo,

Beim durchstöbern des Blogs einer Bekannten, welche die Frage aufwarf "Was ist der Mensch?", fiel mir auf, dass ich hier etwas über Anthropologie von mir gebe und noch gar nichts wirkliches über das damit verbundene Menschenbild gesagt habe. Ich werde mich jetzt also mal an dieser
Frage versuchen.

Eines noch vorweg, ich maße mir hier nicht an für die Anthropologie als ganzes zu sprechen, vielmehr möchte ich meine Sicht auf diese Sache darlegen..

Das wichtigste zuerst, der Mensch ist ein biologisches Wesen und damit ist er auch ein Resultat der natürlichen Selektion, wie jedes andere Lebewesen auf der Erde.

Viele Menschen habe mit einem solchen Menschenbild zunächst kein großes Problem, dass Geschrei geht erst dann los, wenn man unter „Produkt der Selektion“ auch so Dinge, wie die menschliche Kulturfähigkeit oder die kognitiven Fähigkeiten des Menschen im Allgemeinen meint.
Viele Menschen (darunter auch viele Wissenschaftler) fassen tierisches Verhalten noch immer in klassisch-behavioristischer Art und Weise unter simplen Reiz-Reaktionsabfolgen zusammen oder unter „Instinkten“, von denen der bewusste Mensch sich ja komplett freigemacht habe.

Doch kann dies überhaupt sein, wenn wir doch ansonsten biologische Wesen sind? Hat irgendwann im Laufe der Evolutionsgeschichte des Menschen irgendeine Hominidenform plötzlich laut „Heureka!“ gerufen und die große menschliche Intelligenz war geboren?

Klingt irgendwie unrealistisch.

Aber auch die Daten (man muss ja alles mit Zahlen untermauern) sprechen gegen eine ganz spezielle Form der menschlichen Intelligenz.

Der Trennungszeitpunkt der Linien von Mensch und Schimpanse lag vor ungefähr sechs bis sieben Millionen Jahren, ein ziemlich kurzer Zeitraum für evolutionäre Quantensprünge, bedenkt man noch die Tatsache, dass die ersten Hominiden Gehirne hatte, die kaum größer als das rezenter Schimpanse waren verkürzt sich dieser Zeitraum nochmals um einige Millionen Jahre.

Zudem findet man bei Schimpansen und Bonobos eine ganze Reihe von Verhaltensweisen die man früher noch als „typisch menschlich“ bezeichnet hätte. Ich gehe sogar soweit zu behaupten, dass Schimpansen sich in ihrer „sozialen Intelligenz“ (also ihrem Vermögen sich innerhalb ihrer Gruppe zu positionieren und Koalitionen zu schmieden) nicht großartig von uns Unterscheiden.

Was bedeutet dies jetzt aber? Nun die Antwort ist simpel und doch weitreichend, unser Verhalten ist genau wie das Verhalten aller anderen Tiere bestimmten biologischen Gesetzmäßigkeiten unterworfen, der Unterschied bei uns ist nur, dass wir viele dieser biologischen Gesetzmäßigkeiten kulturell überdeckelt haben. Ein gutes Beispiel sind Gesetze gegen Inzest, der ja der genetischen Fitness abträglich ist und bei Tieren häufig durch Migration oder Verhaltensbarrieren verhindert wird. Oder betrachtet man sich mal die zehn Gebote, das Gebot „Du sollst nicht töten“ galt im alten Israel nur bei Israeliten (und damit genetisch näher verwandten Personen), nicht bei Fremden.

Unsere Kultur und damit wir selber sind nicht frei von diesen biologischen Gesetzmäßigkeiten (Christian Vogel benutzte dafür den herrlichen Satz: “Kultur an der Leine der Natur“).
Doch anstatt dies zu verteufeln und dagegen mit unlogischen Argumenten vorzugehen, bin ich der Meinung dass man diese Tatsache nutzen sollte um zu einem wesentlich pragmatischeren Umgang mit der sogenannten „Natur des Menschen“ zu kommen.

Denn wenn man eines aus der Evolutionsbiologie lernt, dann das die Natur absolut wertfrei ist und so ist auch der Mensch. Erst unsere subjektive Interpretation erzeugt das „Gute“ und das „Böse“ im Menschen.

Alles gute.

21.05.2009

Nachtrag zu gestern

Wie ich einen Artikel des Deutschlandfunks entehmen konnte, macht diese Geschichte den Eindruck als sei es einfach nur eine Promoaktion von BBC, History Channel, dem ZDF und der beteiligten Wissenschaftler um ihre Produkte verkaufen zu können.

Die Tatsache, dass dieser Fund vermarktet wurde, bevor er überhaupt wissenschaftlich beschrieben und publiziert wurde gibt mir enorm zu denken wenn es um die Wirkung der Paläonathropologie geht.

Ginge man davon aus, dass ein solches Verhalten bald an der Tagesordnung stünde, so kann man als Wissenschaft an sich einpacken und wieder dazu übergehen sich Märchen auszudenken.

20.05.2009

Das Problem der "missing links" (Teil II)

Aus aktuellem Anlass mal wieder was Neues.

Wie man mittlerweile schon diversen Internetseiten, Videotexten und anderen Informationsquellen entnehmen konnte, wurde mal wieder ein tolles "missing link" gefunden. Es handelt sich hierbei um ein ziemlich vollständiges Fossil eines 47 Millionen Jahre alten Affen.

Nun komme ich schon zu meinen ersten Problemen, die ich mit den momentanen Meldungen habe: Es handelt sich bei diesem Fossil weder um das entscheidende Bindeglied zwischen Menschen und Affen, noch handelt es sich hierbei um den Urahn von Mensch und Affe.

Zu ersterem, ein 47 Millionen Jahre altes Lebewesen kann gar nicht das letzte Bindeglied zwischen Mensch und Affe sein. Zu diesem Zeitpunkt, gab es nämlich noch gar keine Menschenaffen, also die "Sorte" Affen, zu der auch wir zählen. Wäre dieses nun gefundene Fossil das letzte Bindeglied zwischen Mensch und Affe, so würde dies bedeuten, dass die Linien von Mensch und Schimpanse (unser nächster noch lebender Verwandter) sich vor gut 50 Millionen Jahren getrennt haben. Dies widerspricht nicht nur den Ergebnissen Molekulargenetischer Untersuchungen um mindestens 40 Millionen Jahre sondern würde diverse Fragen in Bezug auf die Hohe Ähnlichkeit zwischen Mensch und Schimpanse aufwerfen.

Zum zweiten Punkt, das gefundene Fossil entspricht wohl einem frühen Vertreter der so genannten "Trockennasenaffen", zu dem die Tarsier (Koboldmakis) sowie die Neu- und Altweltaffen gehören. Im Grunde genommen, ist er ein erster Vertreter der höheren Primaten.Die Primaten selber entstanden wahrscheinlich schon zu Ende der Kreidezeit (also vor gut 65 Millionen Jahren) und sind somit wesentlich älter, als das nun gefundene Fossil.Ein letztes noch. Man wird niemals ein "Missing Link" zwischen Mensch und Affe finden und zwar aus einem ganz einfachen Grund. Wir sind Affen. Aus Evolutionsbiologischer Sich macht es keinen Sinn zwischen Mensch und Affe/bzw. dem restlichen Tierreich im Allgemeinen eine Trennlinie zu ziehen. Warum dies trotzdem getan wird hat mit der irrigen Annahme zu tun, wir als Menschen seien besser als die restlichen Lebewesen und verdienen daher eine Sonderstellung.

Das ganze soll man bitte nicht falsch verstehen, der Fund als solches ist in der Tat beeindruckend. So wie es jedes fast vollständige Fossil ist, vor allem wenn es sich hierbei um sehr basale Vertreter einer neuen Tiergruppe handelt. Die Frage nach der weiteren Verzweigung der Primaten nach ihrer Entstehung ist noch mit einigen Unsicherheiten versehen und dieser Fund kann sicher dazu beitragen einige bestehende Hypothesen zum Ursprung der höheren Primaten (und schlussendlich auch zum Ursprung des Menschen) überprüfen zu können.

Was mich in diesem Falle nur wieder massiv stört ist die Art und Weise wie über diese Sache berichtet wird. Nur weil ein paar hohlköpfige Redakteure nicht in der Lage sind zu verstehen, warum dieses Fossil jetzt für die Primatologie so wichtig ist, wird irgendeine Märchengeschichte erfunden die überhaupt nicht den Tatsachen entspricht.
An dieser Stelle, stellt sich natürlich auch die Frage, welchen Anteil, die Wissenschaftler, welche an der Veröffentlichung dieses Fossils beteiligt waren, an diesem Dilemma haben.

Man sollte immer Bedenken, dass nicht die letztendliche Wissenschaftliche Arbeit das Bild einer Wissenschaft (oder ihrer Theorien) prägt, sondern die Art und Weise wie sie in der Öffentlichkeit dargestellt werden. Um ehrlich zu sein, so wie immer über die Evolution des Menschen oder die Evolutionstheorie im Allgemeinen berichtet wird, nämlich größtenteils falsch, wundert es mich nicht, dass es eine große Anzahl von Menschen gibt, die nicht von ihr überzeugt sind. Wäre ich auch nicht, wenn ich mich nur auf BILD, GMX und ZDF verlassen würde.

Dies ist dann letztendlich auch eine Frage, wie sich die Wissenschaftler in der Öffentlichkeit darstellen, und hierbei sollte man sich stets um absolute Korrektheit und Faktentreue bemühen und sich keinesfalls zu irgendwelchen Begeisterungsstürmen hinreißen lassen. Letztendlich schadet man nicht nur sich selbst mit einem solchen Gebaren, sondern auch seiner ganzen Fachrichtung.


Alles Gute.

09.03.2009

Das Problem der "missing links" (Teil I)

Betrachtet man die Evolution des Menschen, hat man immer mit einem großen Problem zu kämpfen, dies ist jedoch nicht methodischer oder theoretischer Natur, es ist der Mensch selbst.
Die Frage nach der eigenen Herkunft ist und war schon immer wichtiger als die Frage nach der Herkunft der Zecke die am Bein hängt oder der Spinne die in der Zimmerecke haust.

Ich will diese Tatsache an sich jetzt auch nicht negativ bewerten, schließlich habe ich mich unter anderem auch aus diesem Grunde für die Anthropologie entschieden.
Problematisch wird diese Wertschätzung jedoch wenn es darum geht ordentlich Wissenschaft betreiben zu können.

Ein wichtiger Punkt nehmen hierbei die sog. "missing links" ein, also die ersten Vertreter der Hominiden nach der Abspaltung der Schimpansenlinie. Oder etwas plakativer, das Verbindungsstück zwischen Affe und Mensch.

Durch molekulare Untersuchungen hat konnte man errechnen, dass sich die Linien von Mensch und Schimpanse vor 5-9 Millionen Jahren getrennt haben, dass heißt, wenn man in diesem Zeitraum Grabungen durchführt, könnte man auf ein Wesen treffen, was in vielen Eigenschaften noch dem letzten gemeinsamen Vorfahren von Mensch und Schimpanse gleicht und in ein paar wenigen Eigenschaften bereits hominide Züge hat.

Und in der Tat hat man solche Fossilien gefunden, bzw. man hat Fossilien gefunden.

Michel Brunet, ein französischer Paläoanthropologe, der schon längerer Zeit im Tschad Grabungen durchführt, hat einen Schädel gefunden, welcher den Namen Sahelanthropus tchadensis bekam. Dieser Schädel ist an sich wirklich spannend, vor allem die großen Überaugenwülste sind hier zu erwähnen.

Brunet hat unter anderem aufgrund der Überaugenwülste die Hypothese aufgestellt, dass der Schädel einem männlichen Individuum gehörte.

Bei Affen gibt es häufig einen Sexualdimorphismus, d.h. die Männchen und Weibchen sehen haben eine unterschiedliche Morphologie (der Mensch hat diesen auch, allerdings ist er sehr reduziert) und große Überaugenwülste sind oftmals ein Zeichen für männliche Individuen.

Jedenfalls wurde aufgrund der Aussage, dass das Individuum männlich ist, die Schlussfolgerung gezogen, dass andere Eigenschaften (Größe von Zähnen und anderen Dinge) zu schwach ausgeprägt sind um noch als Affenähnlich zu gelten, also ist der Schädel hominin.

Doch ist der Schädel wirklich männlich? Wir sehen ja schon beim Menschen, dass jedes Individuum anders aussieht, das heißt es variiert in der Ausprägung bestimmter morphologischer Eigenschaften. Kann ich also aufgrund eines Fundes einer Art dessen Merkmalsvarianz ich nicht kenne, das Geschlecht sicher bestimmen?
Normalerweise kann man das nicht. Zumindest nicht mit so großer Sicherheit um aus dieser Aussage weitere Hypothesen ableiten zu können.

Trotzdem wurde es getan.

Eine weitere Aussage die getroffen wurde war, dass Sahelanthropus aufrecht ging. Diese Aussage wurde aufgrund der Position des Foramen magnun (der Austrittstelle des Rückenmarks) getroffen. Die Annahme dahinter ist, dass je weiter dieses unterhalb des Hirnschädels liegt, desto eher spräche dies für einen aufrechten Gang. Problematisch ist nur, dass zum Beispiel Totenkopfäffchen ein zentraleres Foramen magnum als wir haben, doch gehen sie nicht aufrechter als wir, sondern auf vier Beinen.
Für diese Annahme spricht, dass alle späteren hominden ein nach vorne geschobenes Foramen magnun besitzen und aufrecht gehen.
Aber kann ich mit großer Sicherheit sagen, dass ein Individuum aufrecht ging, wenn ich keinerlei Becken, Fuß oder Oberschenkelknochen habe? An sich nicht.

Trotzdem wurde es getan.

All das was ich eben geschildert habe, wurde auch kritisiert. Daraus entwickelte sich ein Dialog welcher, auch auf persönlicher Ebene, nicht mit wenig Schärfe geführt wurde. Die Gegenseite wurde von einer Gruppe Wissenschaftler gebildet, welche ein etwas jüngeres Fossil gefunden haben. Diese Gruppe kam zu dem Ergebnis, dass man es mit Sahelanthropus möglicherweise mit einem frühen Gorilla zu tun hätte (zumindest sind die Überaugenbögen in dessen Variationsspektrum).
Aber auch hier stelle ich mir die Frage, ob man aus einem Schädel all dies ableiten kann.

Nur warum wird nicht, ganz nüchtern, gesagt: "Wir können momentan noch nicht viel aussagen, die Tendenzen gehen in folgende Richtung, aber man muss schauen das wir mehr Fossilien finden."? Oder wieso halte ich mich mit einer Publikation nicht so lange zurück, bis ich was Sicheres sagen kann?

Das hat mit dem öffentlichen Prestige zu tun, was man erhält wenn man das "missing link" findet. Die ganzen Publikationen zu diesem Fall wurden in "Nature" veröffentlicht. Und für viele Wissenschaftler ist eine Naturepublikation etwas ganz großartiges.
Ich habe manchmal den Eindruck, die Qualität der Aussage einer Person hängt davon ab, wie viel er in welchen Zeitschriften publiziert hat und nicht wie gut er seine Hypothesen unterstützen kann.

Statt, dass man also diesen gesamten Komplex ganz neutral betrachtet und sich fragt, wie gut meine Aussagen zu belegen sind, schmeiße ich eine Reihe kaum unterstützter Hypothesen in den Raum. Dies wurde, meiner Meinung nach, in diesem Falle von beiden Seiten (die eine jedoch etwas mehr als die andere) getan.

Es ist immer schwierig sich vor Augen zu führen, dass es in der Wissenschaft eben NICHT um persönliches Prestige geht, sondern um Erkenntnisgewinn und dabei ist es vollkommen unerheblich welchen Anteil der einzelne dabei hat. Die Öffentlichkeit sieht das natürlich anders und die meisten Wissenschaftler auch.
Ich will mich auch nicht von solchen Tendenzen freimachen, doch wichtig ist es, so denke ich, sich immer wieder selber kritisch zu überprüfen, ob man nun Dinge aus privatem Ehrgeiz behauptet, oder weil man tatsächliche Belege dazu hat.



Literatur:
Brunet M at al (2002): A new hominid from the upper Miocene of Chad, Centralm Africa. Nature Vol 418, 145-151.
Wolpoff et al (2006): an Ape or the Ape: Is the Toumai Cranium really a hominid? Paleoanthropology 2006, 36-50.

25.02.2009

Über mir schwebt ein Damoklesschwert...

Naja, vielleicht nicht direkt über mir, wohl eher über meinem Studienfach.

Ich habe ja schon gestern erwähnt, dass ich Anthropologie studiere. In ungefähr 95% der Fälle wenn ich das erwähne, muss ich daraufhin erstmal erzählen was das ist. Ich gehe jetzt einfach mal davon aus, dass es auch hier der Fall sein wird.

An sich ist es furchtbar schwer eine genaue Definition des Faches abzuliefern, ich habe langsam das Gefühl man kann 10 Anthropologen fragen und erhält 10 unterschiedliche Definitionen vom Fach. Allgemein anerkannt ist, dass sich Anthropologen mit der biologischen Vielfalt und Ausdehnung des Menschen beschäftigen. Dies schließt Dinge wie Evolutionsbiologie, aber auch Demographie, Verhaltensforschung, Anatomie, Populationsforschung und noch eine ganze Ecke anderer Dinge mit ein.

Möglicherweise kann man an dieser Stelle schon ein kleinwenig das Problem dieses Faches erkennen, viele der von mir oben erwähnten Dinge werden auch von anderen Wissenschaften untersucht: Demographie? Das machen Soziologen, Anatomie? Das machen Mediziner (eine Reihe Anthropologen kommt übrigens aus der Medizin), Verhaltensforschung? Da denkt man wahrscheinlich eher an Psychologen.
Diese Liste kann man immer weiter führen, es scheint, die Anthropologie war, als die Fachkompetenzen vergeben wurden, wohl gerade auf dem Klo und versucht nun verzweifelt sich von allen anderen Fächern ein bisschen was abzuknapsen.

An sich zeichnet sich hier kein wirklich gutes Bild für ein Fach was den Anspruch hat " neben der Zoologie und Botanik als die dritte umfassende Disziplin der Biologie zu gelten“ (Kattmann, 1992).
Nun, warum stört es mich dann so sehr, dass dieses Fach den Bach runtergeht? Schließlich kann es nichts wirklich und der Name ist auch so schwer zu schreiben.

Nun gut, dass liegt an meiner Auffassung des Faches.

Meiner Meinung nach geht es in der Anthropologie darum, den Menschen als biologisches Wesen zu verstehen. Als biologisches Wesen ist er das Produkt seiner eigenen Stammesgeschichtlichen Entwicklung (seiner Phylogenese), er ist demnach durch die gleichen Evolutions- und Selektionsmechanismen entstanden, wie alle anderen Lebewesen auf unserem Planeten.
Mit diesem Menschenbild ist die Anthropologie in der Lage, zu einer ganzen Reihe wichtiger Fragestellungen aus vielen Fachrichtungen, wertvolle und vor allem eigenständige Beiträge zu liefern ohne dabei etwas von ihren Kernkompetenzen abgeben zu müssen. Denn meist unterscheiden sich evolutionsbiologisch interpretierte Betrachtungen menschlicher Phänomene von dem was man sonst so hört.

Die Tatsache, dass sich mittlerweile viele Sozialwissenschaften immer mal wieder eines evolutionsbiologischen Vokabulars bedienen, wenn es um die Erklärung bestimmter Dinge geht und das die Psychologie auch dazu übergeht viele Phänomene in einem solchen Zusammenhang zu betrachten, spricht dafür dass es sich lohnen würde, als Anthropologie in diese Richtung zu investieren.

Das Problem an der Evolutionstheorie ist nämlich, dass sie, so einfach sie auch erscheint, in ihrer Anwendung und in ihrem tiefen Verständnis höchst komplex und abstrakt ist. Hat man ein falsches Verständnis dieser Dinge, so kommen auch meist sehr falsche Ergebnisse heraus, die gerade was den "Anwendungsbezug" angeht, teilweise sogar höchst gefährlich waren (der Sozialdarwinismus ist hier sicher das beste Beispiel).
Die Aufgabe der Anthropologie könnte (wie gesagt, dass ist meine Meinung) demnach also sein, dort wo es angebracht ist immer wieder Brücken zwischen der Biologie und den Sozial- und Geisteswissenschaften zu schlagen.


An sich hört sich das ja ganz fein an, nicht wahr? Doof nur, dass die Realität nicht so aussieht.

Die Anthropologie in Deutschland stirbt langsam aber sicher aus. Wer auf die Seite der Gesellschaft für Anthropologie geht (
http://www.gfanet.de/) sieht dort unter der Rubrik "Deutschsprachige Institute mit anthropologischer Forschung" zwar eine ganze Reihe von Links, nur führen ein großteil dieser Links mittlerweile ins leere. Entweder wurden die Institute in größere Institute eingegliedert, oder ganz geschlossen. Zwar findet an einigen Universitäten noch Anthropologische Forschung statt, doch wird diese so gut wie gar nicht mehr gelehrt.

Es gibt in Deutschland nurnoch ein einziges rein Anthropologisches Institut, das an der Uni Mainz. Dort studiere ich auch, im Magisterstudiengang "Anthropologie", im Zuge des Bologna Prozesses wurde dieser allerdings jetzt eingestellt, ich darf zwar noch zuende studieren, aber einen eigenständigen Anthropologiestudiengang wird es nicht mehr geben.
Stattdessen wird ein "Master Anthropologie" eingeführt der auf dem Bachelor für Biologie aufbaut, irgendwann. Auch an anderen Universitäten in Deutschland sieht es nicht besser aus. Anthropologie als eigenständigen Studiengang, vorher schon selten, wird es nach Abschluss der Umstellung nicht mehr geben.
Mir scheint es, dass die Anthropologie, anstatt dass sie die dritte umfassende Disziplin der Biologie wird, Schritt für Schritt in Deutschland von der Bildfläche verschwinden wird.

Diese Situation hat zufolge, dass die talentierten und guten Absolventen sich drei Mal überlegen werden, ob sie in Deutschland eine Stelle annehmen, oder es nicht lieber im Ausland probieren wollen.
Denn wieso sollte ich, als ambitionierter Mensch, versuchen in einem Land Fuß zu fassen, bei dem über mir ständig das Damokles Schwert der Institutsschließung oder Geldkürzung schwebt?

Es wird in der Politik immer soviel über den "Forschungsstandort Deutschland" geredet und wie wichtig es sei, die begabten Leute im Land zu halten. Gleichzeitig, wird aber ein Fach, welches Fragestellungen von äußerster Wichtigkeit behandelt, nämlich die Frage nach den Ursprüngen unserer eigenen Existenz, so unter Wert verkauft, dass es beinahe zum heulen ist.
Aber gut, mit philosophisch interessanten Fragen lässt sich selten ein Nobelpreis gewinnen, oder ein irgendein technischer Firlefanz entwickeln, also ist es wohl ganz legitim, wenn man sich einen Dreck darum schert nicht wahr?


Möglich, dass ich etwas zu pessimistisch bin, denn schließlich gibt es noch Anthropologen in Deutschland und auch das Fach existiert noch. Es ist nur langsam an der Zeit sich die Frage zu stellen, wie man es schaffen will, es auch in fernerer Zukunft zu sichern. Ich, für meinen Teil, werde es nicht akzeptieren, dass man ein so wichtiges Fach einfach eingehen lässt.


Die GfA (Gesellschaft für Anthropologie) hat im September ihre Jahrestagung. Dieses Mal mit dem wunderbaren Untertitel "Kernkompetenzen einer Brückenwissenschaft", ich bin ehrlich gesagt gespannt, ob bei dieser Veranstaltung irgendwas rumkommen wird, was "Kernkompetenzen" angeht.

Alles gute,

24.02.2009

Zu Beginn...

Guten Abend zusammen,

Ich schätze mal, ich sollte in meinem ersten Eintrag ein bisschen darüber referieren, warum zum Teufel ich mich dazu entschlossen habe einen Blog aufzumachen und etwas über die grobe inhaltliche Richtung dieser ganzen Veranstaltung sagen.

Und auch wenn ich mir vorgenommen habe, diesen Blog halbwegs frei von persönlichen Informationen zu halten (ich bin da etwas paranoid was das angeht), so muss ich um den oberen Absatz beantworten zu können, ein paar Dinge über mich erzählen.

Ich bin ein Student. Ich weiß, an sich keine wirklich spektakuläre Information, bedenkt man die Tatsache, dass es an deutschen Universitäten angeblich zu viele davon gibt.
Die Tatsache allerdings, dass ich Anthropologie studiere ist schon etwas interessanter. Mag sein, dass dies nur meine Sicht der Dinge ist, führt man sich jedoch vor Augen, dass es mittlerweile keinen alleinstehenden Anthropologiestudiengang in Deutschland mehr gibt, so kann man vielleicht schon etwas eher verstehen, warum ich das hier jetzt erwähne.


Gut, was hat das jetzt mit diesen Blog zu tun? Nun, ich möchte hier einen Einblick in bestimmte Aspekte dieses Faches geben und zeigen, was genau mich an dieser Geschichte so fasziniert, dass ich es im Internet kundtun muss.
Des Weiteren will ich mal sehen, wie gut sich bestimmte Überlegungen meinerseits zu diversen Themen in einer Diskussion schlagen. Schließlich ist eine Idee nur dann wirklich gut, wenn sie sich in der Öffentlichkeit behaupten kann.


Was genau das alles heißen soll, wird man in meinen nächsten Beiträgen hoffentlich etwas deutlicher sehen, als in diesem.
Ansonsten hoffe ich mal, dass sich ein paar Personen finden, die sich für das was ich hier ablassen werde, interessieren.

Alles gute,