25.02.2009

Über mir schwebt ein Damoklesschwert...

Naja, vielleicht nicht direkt über mir, wohl eher über meinem Studienfach.

Ich habe ja schon gestern erwähnt, dass ich Anthropologie studiere. In ungefähr 95% der Fälle wenn ich das erwähne, muss ich daraufhin erstmal erzählen was das ist. Ich gehe jetzt einfach mal davon aus, dass es auch hier der Fall sein wird.

An sich ist es furchtbar schwer eine genaue Definition des Faches abzuliefern, ich habe langsam das Gefühl man kann 10 Anthropologen fragen und erhält 10 unterschiedliche Definitionen vom Fach. Allgemein anerkannt ist, dass sich Anthropologen mit der biologischen Vielfalt und Ausdehnung des Menschen beschäftigen. Dies schließt Dinge wie Evolutionsbiologie, aber auch Demographie, Verhaltensforschung, Anatomie, Populationsforschung und noch eine ganze Ecke anderer Dinge mit ein.

Möglicherweise kann man an dieser Stelle schon ein kleinwenig das Problem dieses Faches erkennen, viele der von mir oben erwähnten Dinge werden auch von anderen Wissenschaften untersucht: Demographie? Das machen Soziologen, Anatomie? Das machen Mediziner (eine Reihe Anthropologen kommt übrigens aus der Medizin), Verhaltensforschung? Da denkt man wahrscheinlich eher an Psychologen.
Diese Liste kann man immer weiter führen, es scheint, die Anthropologie war, als die Fachkompetenzen vergeben wurden, wohl gerade auf dem Klo und versucht nun verzweifelt sich von allen anderen Fächern ein bisschen was abzuknapsen.

An sich zeichnet sich hier kein wirklich gutes Bild für ein Fach was den Anspruch hat " neben der Zoologie und Botanik als die dritte umfassende Disziplin der Biologie zu gelten“ (Kattmann, 1992).
Nun, warum stört es mich dann so sehr, dass dieses Fach den Bach runtergeht? Schließlich kann es nichts wirklich und der Name ist auch so schwer zu schreiben.

Nun gut, dass liegt an meiner Auffassung des Faches.

Meiner Meinung nach geht es in der Anthropologie darum, den Menschen als biologisches Wesen zu verstehen. Als biologisches Wesen ist er das Produkt seiner eigenen Stammesgeschichtlichen Entwicklung (seiner Phylogenese), er ist demnach durch die gleichen Evolutions- und Selektionsmechanismen entstanden, wie alle anderen Lebewesen auf unserem Planeten.
Mit diesem Menschenbild ist die Anthropologie in der Lage, zu einer ganzen Reihe wichtiger Fragestellungen aus vielen Fachrichtungen, wertvolle und vor allem eigenständige Beiträge zu liefern ohne dabei etwas von ihren Kernkompetenzen abgeben zu müssen. Denn meist unterscheiden sich evolutionsbiologisch interpretierte Betrachtungen menschlicher Phänomene von dem was man sonst so hört.

Die Tatsache, dass sich mittlerweile viele Sozialwissenschaften immer mal wieder eines evolutionsbiologischen Vokabulars bedienen, wenn es um die Erklärung bestimmter Dinge geht und das die Psychologie auch dazu übergeht viele Phänomene in einem solchen Zusammenhang zu betrachten, spricht dafür dass es sich lohnen würde, als Anthropologie in diese Richtung zu investieren.

Das Problem an der Evolutionstheorie ist nämlich, dass sie, so einfach sie auch erscheint, in ihrer Anwendung und in ihrem tiefen Verständnis höchst komplex und abstrakt ist. Hat man ein falsches Verständnis dieser Dinge, so kommen auch meist sehr falsche Ergebnisse heraus, die gerade was den "Anwendungsbezug" angeht, teilweise sogar höchst gefährlich waren (der Sozialdarwinismus ist hier sicher das beste Beispiel).
Die Aufgabe der Anthropologie könnte (wie gesagt, dass ist meine Meinung) demnach also sein, dort wo es angebracht ist immer wieder Brücken zwischen der Biologie und den Sozial- und Geisteswissenschaften zu schlagen.


An sich hört sich das ja ganz fein an, nicht wahr? Doof nur, dass die Realität nicht so aussieht.

Die Anthropologie in Deutschland stirbt langsam aber sicher aus. Wer auf die Seite der Gesellschaft für Anthropologie geht (
http://www.gfanet.de/) sieht dort unter der Rubrik "Deutschsprachige Institute mit anthropologischer Forschung" zwar eine ganze Reihe von Links, nur führen ein großteil dieser Links mittlerweile ins leere. Entweder wurden die Institute in größere Institute eingegliedert, oder ganz geschlossen. Zwar findet an einigen Universitäten noch Anthropologische Forschung statt, doch wird diese so gut wie gar nicht mehr gelehrt.

Es gibt in Deutschland nurnoch ein einziges rein Anthropologisches Institut, das an der Uni Mainz. Dort studiere ich auch, im Magisterstudiengang "Anthropologie", im Zuge des Bologna Prozesses wurde dieser allerdings jetzt eingestellt, ich darf zwar noch zuende studieren, aber einen eigenständigen Anthropologiestudiengang wird es nicht mehr geben.
Stattdessen wird ein "Master Anthropologie" eingeführt der auf dem Bachelor für Biologie aufbaut, irgendwann. Auch an anderen Universitäten in Deutschland sieht es nicht besser aus. Anthropologie als eigenständigen Studiengang, vorher schon selten, wird es nach Abschluss der Umstellung nicht mehr geben.
Mir scheint es, dass die Anthropologie, anstatt dass sie die dritte umfassende Disziplin der Biologie wird, Schritt für Schritt in Deutschland von der Bildfläche verschwinden wird.

Diese Situation hat zufolge, dass die talentierten und guten Absolventen sich drei Mal überlegen werden, ob sie in Deutschland eine Stelle annehmen, oder es nicht lieber im Ausland probieren wollen.
Denn wieso sollte ich, als ambitionierter Mensch, versuchen in einem Land Fuß zu fassen, bei dem über mir ständig das Damokles Schwert der Institutsschließung oder Geldkürzung schwebt?

Es wird in der Politik immer soviel über den "Forschungsstandort Deutschland" geredet und wie wichtig es sei, die begabten Leute im Land zu halten. Gleichzeitig, wird aber ein Fach, welches Fragestellungen von äußerster Wichtigkeit behandelt, nämlich die Frage nach den Ursprüngen unserer eigenen Existenz, so unter Wert verkauft, dass es beinahe zum heulen ist.
Aber gut, mit philosophisch interessanten Fragen lässt sich selten ein Nobelpreis gewinnen, oder ein irgendein technischer Firlefanz entwickeln, also ist es wohl ganz legitim, wenn man sich einen Dreck darum schert nicht wahr?


Möglich, dass ich etwas zu pessimistisch bin, denn schließlich gibt es noch Anthropologen in Deutschland und auch das Fach existiert noch. Es ist nur langsam an der Zeit sich die Frage zu stellen, wie man es schaffen will, es auch in fernerer Zukunft zu sichern. Ich, für meinen Teil, werde es nicht akzeptieren, dass man ein so wichtiges Fach einfach eingehen lässt.


Die GfA (Gesellschaft für Anthropologie) hat im September ihre Jahrestagung. Dieses Mal mit dem wunderbaren Untertitel "Kernkompetenzen einer Brückenwissenschaft", ich bin ehrlich gesagt gespannt, ob bei dieser Veranstaltung irgendwas rumkommen wird, was "Kernkompetenzen" angeht.

Alles gute,