Meldung über potentiell aufrecht gehende Fossilien sind immer interessant. Aber es gibt unterschiedliche Arten von aufrechten Gängen und nicht jeder ist tatsächlich eine Meldung wert. Hier ein Beispiel wie etwas (scheinbar) sensationelles im Grunde genommen total banal ist.
Der aufrechte Gang. Neben unserer Fähigkeit sich über Gott (oder Nicht-Gott) und die Welt zu unterhalten ist es vielleicht das Merkmal mit dem es am leichtesten ist, einen Menschen zu erkennen. Eine der am häufigsten gestellten und auch am häufigsten diskutierten Fragen, wenn man einen potentiellen Hominiden findet, ist die, ob und falls ja, wie dieses Vieh auf zwei Beinen gegangen ist. Das ist natürlich teilweise schwer zu beantworten, wenn man nur einen Schädel und ein paar Zähne hat, was nicht heißt das es nicht trotzdem versucht wird.
Doch die Frage, ob das betroffene Fossil aufrecht gehen konnte ist eigentlich gar nicht so wichtig, vielmehr ist wichtig herauszufinden, ob das Fossil in der Lage war permanent auf zwei Beinen zu gehen.
In der Fachsprache unterscheidet man daher auch zwischen fakultativer und habitueller Bipedie.
Tiere die fakultativ Biped sind, sind in der Lage für kurze Strecken auf zwei Beinen zu gehen, tun dies jedoch nicht dauerhaft und nur unter bestimmten Bedingungen. Im Grunde genommen sind alle „höheren“ Primaten, also Alt- und Neuweltaffen zu einem gewissen Grade zu fakultativer Bipedie in der Lage. In jedem Falle sind alle Menschenaffen mindestens zu fakultativer Bipedie in der Lage. Einige tun dies sogar ziemlich oft. Trotzdem ist ihr Bewegungsapparat nicht auf diese Art von Fortbewegungsweise angepasst.
Menschen hingegen sind habituell Biped, genauso wie alle Vögel (zumindest wenn sie am Boden sind), und wahrscheinlich noch ein paar andere Tiergruppen. Einige Dinosaurier waren auch habituell Biped. Genauer gesagt bedeutet habituelle Bipedie nichts anderes, als dass der betroffene Organismus sich, grundsätzlich auf zwei Beinen fortbewegt und sein Bewegungsapparat auf diese Art von Fortbewegung angepasst ist.
Wie schon bereits gesagt, sind alle rezenten Menschenaffen zu fakultativer Bipedie in der Lage. Das bedeutet, dass es recht wahrscheinlich war, dass auch der letzte gemeinsame Vorfahr aller Menschenaffen zu fakultativer Bipedie in der Lage war, was wiederum bedeutet, dass dieses Merkmal ein gemeinsames, ursprüngliches Merkmal aller Menschenaffen ist.
Wenn ich Knochen finde bei denen ich mir ziemlich sicher bin, dass es sich auf jeden Fall um irgendeine Form von Menschenaffe handelt und die Grundhypothese „Alle Menschenaffen sind mindestens zu fakultativer Bipedie in der Lage“ lautet, welche Frage wäre dann wichtig zu beantworten?
Da wir Hypothesen widerlegen müssen um Erkenntnisse zu gewinnen, müssten wir entweder herausfinden, ob das Fossil nicht zu fakultativer Bipedie in der Lage wäre, womit wir möglicherweise unsere Grundhypothese widerlegt hätten. Die andere Möglichkeit wäre herauszufinden, ob das Fossil zu habitueller Bipedie in der Lage gewesen ist, was es, auch wenn ich diese Handhabung etwas komisch finde, sehr wahrscheinlich in unsere Stammlinie bringen würde.
Wenn ich jetzt z.B. einen Haufen Fußknochen finde, die zwischen 3 und 4 Millionen Jahre alt sind und die vermutlich irgendwo in unsere nähere Verwandtschaft fallen, welches Statement ist an dieser Stelle vollkommen inhaltslos?
„...when on the ground it was at least facultatively bipedal”
(Haile-Selassie et al. 2012; S. 568)
Ganz genau, so ein Statement. Vielen Dank an Haile-Selassie und Kollegen für diese Demonstration. Ganz schön doof, wenn man im Grunde genommen nichts hat und daraus einen Artikel zusammenschustern muss.
Literatur:
Haile-Selassie, Y., Saylor, B., Deino, A., Levin, N., Alene, M., Latimer, B. (2012). A new hominin foot from Ethiopia shows multiple Pliocene bipedal adaptations Nature, 483 (7391), 565-569.
DOI: 10.1038/nature10922