Im letzten Monat ist eine ganze Menge passiert und ein Großteil davon war zur Abwechslung sogar wirklich positiv.
Ich war in der Lage ein Großteil der Hürden die noch vor der Durchführung meiner Arbeit standen aus dem Weg zu räumen, so dass ich die letzten beiden Wochen in der Lage war, meine ersten Daten erheben zu können. An dieser Stelle möchte ich mich nochmal bei den netten Personen im Senckenbergmuseum bedanken, die mich in ihre Sammlung gelassen haben.
Ich war noch nie zuvor in einer echten Museumssammlung und ich muss zugeben, dass selbst wenn die Arbeit am Ende der letzte Mist wird, es allein wegen dieser Museumsbesuche wert war sie trotzdem durchzuführen. Mich faszinieren Dinge bei denen man merkt, dass sie eine Geschichte haben und die in den meisten Museumssammlungen kann man die Geschichte förmlich riechen. Lange Regalreihen voller archivierter Tierskelette, die teilweise aus einer Zeit stammen, in der man eine Karriere als Biologe starten konnte in dem man einfach mit einer Schrotflinte durch den Urwald gelaufen ist und alle zehn Schritte in die Baumkrone geschossen hat. Ich hatte Primatenschädel in der Hand die in der Mitte des 19. Jahrhunderts in die Sammlung kamen, also vor mehr als 150 Jahren. Aus einer Zeit in der kaum einer etwas über natürliche Selektion wusste (mit Ausnahme von Darwin selbst) und in der gerade das erste Neandertalerskelett gefunden wurde.
Eines der Objekte hatte seine Archivnummer auf der Rückseite einer alten Museumeintrittskarte aus den 1870er Jahren eingetragen. Ich musste so oft meine Arbeit unterbrechen um darüber zu sinnieren, wer denn alles noch so diesen Schädel in der Hand hatte und für welche Arbeiten er schon benutzt wurde.
Neben der Geschichte der Objekte waren dann natürlich noch die Objekte selbst. Ich muss zugeben, dass meine Ausbildung bislang nicht wirklich praktisch orientiert war und ich mit Ausnahme von einigen Momenten während bestimmter Seminare, mich nie wirklich tiefergehend mit Primatenschädeln auseinandergesetzt habe. Die groben Strukturen waren mir zwar bekannt, aber die kleinen Feinheiten die ich teilweise für meine Arbeit finden musste waren anfangs doch recht schwer zu identifizieren. Also waren die ersten Tage für mich zunächst einmal Lerntage und es hat wirklich Spaß gemacht. ich hatte vorher meine Zweifel ob mir „praktische“ Arbeit tatsächlich liegt oder ob ich nicht eher zu der Sorte Menschen gehöre die nur in der Lage sind klug über irgendetwas zu reden.
Ich weiß jetzt zwar nicht wie toll das ist was ich da gemacht habe, das erfahre ich vermutlich erst nachdem ich meine Arbeit fertiggestellt habe, aber ich kann auf jeden Fall schon einmal feststellen, dass mir Datenerhebung selbst enorm viel Spaß macht und ich kein Problem damit hätte, so etwas häufiger zu tun.
Die letzten Monate waren für mich etwas schwieriger, es gab sehr viele „Nebenkriegsschauplätze“ die mir so ein bisschen den Spaß an der Wissenschaft selbst vermiest haben und ich habe eine Zeitlang ernsthaft darüber nachgedacht ob ich für diese Art von Arbeit tatsächlich geschaffen bin.
Die letzten zwei Wochen haben diese Zweifel zu großen Teilen aus der Welt räumen können, es gibt zwar immer noch viele Dinge die mich stören, aber ich habe einfach beschlossen, dass ich versuche all diese Probleme auf meine Art und Weise zu lösen und mich nicht von dem Gerede anderer Personen von meinen Ideen abbringen lassen werde. Wenn ich einen sicheren Job suchen würde, hätte ich Maschinenbau studiert und wäre nicht in die Anthropologie gegangen, warum sollte ich jetzt also anfangen bestimmte Prinzipien über Bord zu werden nur damit ich es eventuell leichter hätte nach Ende meines Studiums einen Posten zu bekommen?
Aus diesem Grund kündige ich an dieser Stelle an, dass ich, egal was am Ende von dieser Arbeit rauskommt, die gesamte Arbeit (oder zumindest alles was mir von der Universität erlaubt wird, ich bin mir sicher da gibt es irgendwelche dummen Regeln) komplett frei zugänglich ins Internet stellen werde. Das Teil wird vermutlich nichts wirklich bahnbrechend Neues aufzeigen, aber ich denke es ist wichtig, dass man die Wissenschaft wieder mehr in die Öffentlichkeit trägt und dazu gehört es auch, kleinere Arbeiten und Ergebnisse allen Menschen zugänglich zu machen. Schließlich wird diese Arbeit (so wie mein ganzes Studium) ja irgendwo vom Staat bezahlt, also ist es nur fair, wenn alle Menschen sehen können, wohin dieses Geld gewandert ist.
Wissenschaft lebt von Ideen und selbst wenn diese Ideen sich als Mist herausstellen, ist es immer gut sie mit anderen Personen zu teilen, man kann nie wissen wozu es gut sein kann. Im schlimmsten Falle kann es anderen Personen als Warnung dienen, wie sie sich auf keinem Fall einer wissenschaftlichen Fragestellung annähern sollten und selbst dann, hat die Arbeit irgendeinen Zweck erfüllt. Was ich weiß, ist das es niemandem nützt, wenn ich das Ding einfach in mein Regal stelle und es dort verstauben lasse.