29.10.2011

Eine Debatte die keine sein sollte: -Meine Meinung zu Kreationismus und anderen Kuriositäten

Sich in der Debatte zum Kreationismus zu positionieren ist in meinen Augen unglaublich lästig, doch leider lässt sich dies heutzutage kaum vermeiden. Vor allem dann nicht, wenn man versucht einen Blog zu schreiben, der sich im weiteren Sinne mit der Evolution des Menschen beschäftigt.

Ich habe mich vor zwei Jahren relativ kurz zu diesem Thema geäußert doch habe ich mich bislang davor gescheut, einen kompletten Post zu diesem Thema zu schreiben. Der Hauptgrund hierfür ist, dass ich mir persönlich ein bisschen die Kompetenz abspreche, wirklich fundiert über dieses Thema schreiben zu können. Nun habe ich letztes Wochenende eine Email von einem Leser bekommen, die mich jetzt leider doch dazu zwingt, meinen Standpunkt etwas mehr zu verdeutlichen.
Ich will nicht wirklich auf die Mail selber, oder auf die (ziemlich kurze) Debatte die ich mit dem Absender führte eingehen. Vielmehr möchte ich darstellen, warum ich persönlich von der Allgemeinen Richtigkeit wissenschaftlicher Erkenntnisse überzeugt bin und warum es meiner Meinung nach nicht möglich ist, Wissenschaft und Religion miteinander zu vermengen. Das ganze stellt natürlich nur meine Meinung zu dem ganzen Thema dar und deshalb kann sie nicht stellvertretend für die gesamte Wissenschaft gelten. Deshalb kann es also gut sein, dass ich einige Aspekte vielleicht auch etwas unvollständig darstelle.


Ich werde meine Argumentation in drei Teile aufgliedern:


1. Warum Wissenschaft und Religion nichts miteinander zu tun haben


2. Wieso ich der Meinung bin, dass Wissenschaft verlässliche Erkenntnis produziert


3. Was hat das ganze mit der Kreationismusdebatte zu tun?


Beginnen wir gleich mit dem ersten Teil:

1. Warum Wissenschaft und Religion nichts miteinander zu tun haben
Den ersten Aspekt kann man auf zweierlei Art und Weise belegen. Zum einen können wir uns das ganze aus rein wissenschaftstheoretischer Sicht betrachten.
Um dies zu tun, müssen wir die Frage beantworten, was Gott, oder ein göttliches Wesen eigentlich ist. Hier kann man sicherlich wieder enorm viel debattieren, aber um die Sache möglichst einfach zu gestalten, halten wir einfach fest, dass ein göttliches Wesen eine allmächtige Entität ist die sich unserer direkten Wahrnehmung entzieht.
Die zweite Prämisse begründet sich praktisch aus der ersten, denn ein allmächtiges Wesen kontrolliert alle Aspekte unseres Seins, auch die die wir nicht wahrnehmen können. Wenn wir jetzt versuchen wollen die Welt wissenschaftlich erklären zu wollen, müssen wir nach dem Falszifikationsprinzip vorgehen (warum habe ich hier erklärt), denn nur so können wir wirklich sichere Erkenntnisse über die Welt gewinnen. Wenn wir jetzt aber versuchen wollen Geschehnisse in der Welt durch das wirken eines allmächtigen Wesens dessen Wirken wir nicht feststellen können zu erklären, so verlassen wir den Weg gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis. Denn wie will ich dieses Wirken herausfinden, wenn es nicht möglich ist?


Naturwissenschaften beschäftigen sich mit dem Bereich der Welt, der für unsere Wahrnehmung zugänglich ist und versucht für diesen Bereich Gesetze und Regeln zu finden. Die Frage ob es ein allmächtiges Wesen gibt, dass hinter diesen Gesetzen steht und das uns möglicherweise erschaffen hat, kann sie gar nicht beantworten, weil ihr dazu das Rüstzeug fehlt. Deshalb scheitern auch jegliche Versuche Gott mit wissenschaftliche Argumenten zu widerlegen, genauso wie Versuche Scheitern seine Existenz bzw. sein Wirken (was z.B. das Intelligent Design versucht) mit diesen Methoden zu beweisen.


In diesem Sinne kann man etwas plakativ formulieren:
„Gott ist in der Naturwissenschaft egal.“


Das heißt allerdings nicht, dass man, nur weil man Naturwissenschaftler ist, zum Atheisten wird. Die Naturwissenschaften kann nur keine Aussagen über die Existenz Gottes treffen und ist deshalb für religiöse Glaubensfragen vollkommen irrelevant. Wer also an Gott glaubt, kann dies gerne tun, so lange er nicht meint versuchen zu müssen religiöse Argumente in die Naturwissenschaften hineintragen zu wollen. Und wenn er dies tut, so sind seine Argumente von vorneherein zum Scheitern verurteilt, weil sie logisch falsch sind.


Kommen wir nun zu Punkt 2.

2. Wieso ich der Meinung bin, dass Wissenschaft verlässliche Erkenntnis produziert
Dieser Punkt ist vor allem deshalb wichtig, weil viele Personen, die wissenschaftlichen Erklärungsmodellen kritisch gegenüber stehen immer wieder auf bestimmte methodische bzw. theoretische Probleme hinweisen, um ihren eigenen Standpunkt, dass das alles ja ohnehin nicht so ganz stimmen kann, untermauern zu wollen.
Jedes Erklärungsmodell unserer Welt, ob es nun naturwissenschaftlich, oder metaphysisch ist, benötigt bestimmte Grundannahmen über den Aufbau der Welt um überhaupt auch nur irgendeine Form von Aussage treffen zu können. Hat es diese nicht, so beginnen sich seine Argumente ab einem gewissen Punkt im Kreis zu drehen.


Was sind also, zumindest meiner Meinung nach, die Grundannahmen eines naturwissenschaftlichen Weltbildes?

Die erste Annahme ist die, dass wir in einer Welt leben, die nach bestimmten Gesetzen aufgebaut ist.
-Gäbe es diese Annahme nicht, wären wir nicht in der Lage auch nur irgendeine Form von allgemeiner Regel aufstellen zu können.

Die zweite Annahme ist, dass wir in der Lage sind diese Gesetze grundsätzlich erkennen zu können.
-Wissenschaft ist ein Erkenntnisprozess, ohne die Möglichkeit Gesetze erkennen zu können, können wir auch keine Wissenschaft betreiben.


Aus diesen beiden Annahmen folgern sich für mich alle weiteren Aussagen die die Naturwissenschaften über unsere Welt treffen und sie ergeben auch nur in diesem Kontext einen Sinn. Die Frage ob ich z.B. an die Evolutionstheorie „glaube“ stellt sich daher nicht, da sie mir in dem von mir dargestellten Kontext als das Erklärungsmodell erscheint, was am plausibelsten erscheint.
Die „Glaubensfrage“ stellt sich in der Wissenschaft nicht auf der Ebene einzelner Theorien, sondern auf einer übergeordneteren Ebene, nämlich der, ob ich überhaupt davon überzeugt bin, ob die wissenschaftliche Methodik verlässliche Aussagen über unsere Welt treffen kann. Und nach allem was ich bislang gesehen und mitbekommen habe, bin ich von diesem Punkt überzeugt.
Ob wir mithilfe der Naturwissenschaften alle Aspekte unsere Lebens beleuchten und erklären können, vermag ich nicht beantworten zu können. Leider wird es niemals *ping* machen und die Meldung erscheinen „Herzlichen Glückwunsch, sie haben alles auf der Welt erfahren was es zu erfahren gibt!“ Oder um es mit Gerhard Vollmer (1974) zu sagen:

"Der Grad der Übereinstimmung der von der theoretischen Erkenntnis rekonstruierten Welt mit der wirklichen Welt bleibt uns unbekannt, auch dann, wenn er vollkommen ist."


(aus: Vollmer G. (1975). Evolutionäre Erkenntnistheorie. Hirzel, Stuttgart, Leipzig. S. 137.)


Kommen wir nun zum letzten Punkt:


3. Was hat das ganze mit der Kreationismusdebatte zu tun?
Aus Annahme 1 folgt, dass sämtliche „Theorien“ die versuchen „wissenschaftlich“ das wirken Gottes in der Evolution oder bei der Entstehung der Welt belegen zu können, nicht zulässig sind, da sie einen logischen Kategorienfehler begehen und zudem auch noch die üblichen Kriterien einer wissenschaftliche Theorie verletzen. Gleichzeitig bedeutet dies jedoch auch, dass ein Naturwissenschaftler niemals in der Lage ist mit rein naturwissenschaftlichen Argumenten die Existenz eines allmächtigen Wesens bestätigen oder widerlegen zu können, da er den gleichen Kategorienfehler, nur von der anderen Seite aus, begehen würde.


Punkt 2 führt auf, dass das akzeptieren einer bestimmten wissenschaftlichen Theorie keine „Glaubensfrage“ ist, sie ergibt schlicht und ergreifend aus den Bedingungen die ein naturwissenschaftliches Weltbild mit sich bringt. Nicht an sie zu „glauben“ bedeutet daher, alle anderen wissenschaftlichen Erklärungsmodelle zum Aufbau der Welt infrage zu stellen, weil alle auf den gleichen Grundannahmen beruhen. Tue ich dies, verlasse ich den Raum in dem die Naturwissenschaft in der Lage ist verlässliche Aussagen zu treffen und falle daher wieder unter Punkt 1.


Für die Debatte mit dem Kreationismus bedeutet dies, dass keine der von dieser Bewegung dargebotenen Erklärungsmodelle wissenschaftlichen Kriterien entspricht und daher nicht auf wissenschaftlicher Ebene diskutiert werden kann. Es macht auch wenig Sinn in einer solchen Debatte mit bestimmten wissenschaftlichen Beweisen zu kommen, da diese im Rahmen dieser Debatte keinen Platz haben. Einer Person die grundsätzliche Zweifel an der Richtigkeit wissenschaftlicher Erkenntnisse hat, kann ich nicht mit wissenschaftlichen Begründungen kommen um sie vom Gegenteil zu überzeugen.
Das einzige, was meiner Meinung nach ein vernünftiger Ansatz wäre, wäre aufzuzeigen, dass sich wissenschaftliche und metaphysische (also u.a. auch religiöse) Weltbilder im Grunde genommen nicht ins Gehege kommen. Beide gehen von vollständig unterschiedlichen Prämissen aus und es gibt daher auch keinen Grund für einen Konflikt. Konflikte zwischen Wissenschaft und Religion entstehen erst dann, wenn eine Seite versucht ins „Kompetenzfeld“ der anderen vorzudringen. Dies ist allerdings, wie ich aufgezeigt habe, logisch nicht zulässig.
Das ganze in einer reellen Debatte zu tun ist natürlich schwierig, weil die Ebene auf der man diskutieren muss eine philosophische ist und man zuvor im Grunde genommen eine große Anzahl an Aspekten und Grundannahmen erklären müsste, um dies auch vernünftig durchführen zu können.
Deshalb werden solche Debatten in der Realität auch äußerst selten auf diese Art und Weise geführt, zumindest habe ich noch nie einen solchen Austausch gesehen. Was ich stets sehe sind Personen die eigentlich ständig aneinander vorbeireden. Das hat vielleicht auch einfach damit zu tun, dass die Öffentlichkeit selbst eher ein Interesse an der Kontroverse und an möglichst heftigen Debatten hat und daher immer nur den Personen ein Forum gibt, die am lautesten schreien. Nur leider sind diese Personen häufig nicht die kompetentesten, wenn es um solche Fragen geht.


Das ist jedenfalls meine Meinung zu dem ganzen Thema. Ich denke man kann an der Länge des Posts erkennen, wie schwierig es mir fällt etwas zu der Sache zu schreiben. Wenn es nach mir ginge, müsste man überhaupt nichts zu diesem Thema sagen, weil sich diese ganzen Fragen im Grunde genommen gar nicht stellen sollten. Ich hoffe trotzdem, dass einige meiner Argumente dazu beitragen können, diese Diskussion in einem etwas besserem und vor allem, gelassenerem Licht zu betrachten.
Mich würde an dieser Stelle natürlich interessieren, wie andere Personen diese ganze Debatte sehen. Mir ist klar, dass ein solcher Post auch zu eher unangenehmen Debatten führen können, doch bin ich an dieser Stelle bereit das Risiko einzugehen.