28.09.2011

Wohin mit Australopithecus sediba?

Ich habe ziemlich lange überlegt, was genau ich mit Australopithecus sediba anfangen soll und wie ich das Fossil in dem Blog behandeln möchte. Letztendlich kam ich zu den Schluss, dass ich bei dem bleiben sollte, was ich im Moment ganz gut kann: Taxonomie. Ich musste für mein Studium in letzter Zeit ein paar Stammbäume rekonstruieren und habe dabei herausgefunden, wie man dies relativ einfach und ohne großen finanziellen Aufwand erledigen kann. Man bedient sich einfach an den Freewareprogrammen von Genetikern. Zwar sind diese nicht perfekt für morphologische Merkmale zugeschnitten und man muss eine Reihe von Sachen bedenken und bearbeiten (was alles genau erzähle ich ein anderes Mal), aber man kann sich relativ schnell einen Überblick über ein bestimmtes taxonomisches Problem verschaffen. Und genau dies habe ich mit Australopithecus sediba gemacht





Phylogenetischer Stammbaum (aus Strait et al., 1997) ohne Australopithecus sediba:



Strait et al. (1997)

Hier nun ein phylogenetischer Stammbaum der mit der gleichen Merkmalsmatrix erstellt wurde, nur dass ich noch Merkmale von Australopithecus sediba (aus Berger, 2010) eingefügt habe:




Gleiche Merkmale nur dieses Mal mit A. sediba.

Das zweite Bild spiegelt genau das wider, was für über die Position von Australopithecus sediba wissen. Was zuvor eine, zumindest im Stammbaum, schöne Auflösung der Verwandtschaftsverhältnisse innerhalb der Gattung Homo war, ist nur zu einer hässlichen Multifurkation kollabiert, die aufzeigt, dass das Programm nicht in der Lage war, diese Äste vernünftig aufzulösen. Das Fossil hängt also irgendwo zwischen den frühsten Vertreter der Gattung Homo und Homo erectus/ergaster.
Die taxonomische Position von Homo habilis und Homo rudolfensis war schon immer nicht wirklich klar. Homo rudolfensis selbst ist aus dem Problem entstanden, dass die Fossilien die man alle zu Homo habilis zählte zu variabel waren, als das man sie guten Gewissens in eine einzige Spezies hätte packen können. Also wurde das „Hypodigma“ (Sammlung aller Fossilien die einer Spezies beschreibt) von Homo habilis in zwei Spezies aufgeteilt, ich werde jetzt allerdings nicht näher auf die einzelnen Merkmale eingehen, das würde einfach zu lange werde.

Um zurück zu Australopithecus sediba zu kommen, das Fossil bringt dieses ganze Problemfeld noch mehr durcheinander, da es, wie wir sehen konnten, sehr nah mit den frühsten Vertretern von Homo verwandt ist, aber auch weil es nur 1,9 Mio. Jahre alt ist.
Das ist deshalb problematisch, weil von Homo habilis und Homo rudolfensis Funde bekannt sind, die weit über 2 Mio. Jahre alt sind und von Homo ergaster/erectus gibt es Funde die nur einen Bruchteil jünger sind als die sediba Fossilien. Wenn man jetzt noch bedenkt, dass man bereits bei 1,7 Mio. Jahren menschliche Fossilien in Georgien findet, kann man gut erkennen wie verworren diese ganze Geschichte ist.
Aber werfen wir doch mal einen Blick auf die einzelnen möglichen Verwandtschaftsbeziehungen die Australopithecus sediba und die Vertreter der Gattung Homo haben könnte.




A. sediba außerhalb der Gattung Homo


Hier würde Australopithecus sediba einen letzten gemeinsamen Vorfahren mit der Gattung Homo teilen. Das einzige Problem, was man hätte, wäre dass man die zu Homo habilis und Homo rudolfensis zählenden Fossilien die älter als 2 Mio. Jahre sind möglicherweise neu klassifizieren müsste.


Alle weiteren Alternativen ruinieren mehr oder weniger das, was wir bisher unter der Gattung Homo verstehen:





Mögliche Verwandtschaftsverhältnisse, wenn  A. sediba innerhalb der Gattung Homo läge (Auszüge).


Egal welche Hypothese wir betrachten, die Gattung Homo ist in keiner von diesen monophyletisch. Das bedeutet, das man entweder Australopithecus sediba in die Gattung Homo aufnehmen sollte, was schwierig werden könnte, weil es die Gattungsdefinition von Homo noch weiter aufweichen würde. Oder aber, das wir Homo habilis und Homo rudolfensis aus der Gattung Homo herausnehmen.
Ich persönlich weiß nicht wirklich was man machen sollte, ich denke es braucht weitere Untersuchungen und weitere Funde um dieses Problem besser lösen zu können. Was man jedoch sagen kann ist, dass die Entstehung der Gattung Homo aller Wahrscheinlichkeit nicht gradualistischer Natur war.
Vielmehr glaube ich, dass wir es hier mit einer Reihe von, möglicherweise unabhängig voneinander ablaufenden, Speziationsereignissen zu tun hatten. Dies würde erklären, warum in diesem Zeitraum so viele Formen auftreten, die sich zwar ähnlich sind, sich aber zeitlich und räumlich überschneiden und deren taxonomische Zugehörigkeit nicht eindeutig zu klären ist. Es gibt auch weitere Gründe die für diesen Gedanken sprechen, aber darüber werde ich beim nächsten Mal etwas schreiben.

 Literatur:
 

Berger, L., de Ruiter, D., Churchill, S., Schmid, P., Carlson, K., Dirks, P., Kibii, J. (2010). Australopithecus sediba: A New Species of Homo-Like Australopith from South Africa Science, 328 (5975), 195-204 DOI: 10.1126/science.1184944
Strait, D., Grine, F., Moniz, M. (1997). A reappraisal of early hominid phylogeny Journal of Human Evolution, 32 (1), 17-82 DOI: 10.1006/jhev.1996.0097

26.09.2011

Zurück aus Leipzig.

So, die Tagung ist vorbei und nach einer langen und sehr merkwürdigen Zugreise, zuerst gab es einen „Personenunfall“ auf der Strecke und dann hat noch jemand seinen Rucksack in einem Abteil vergessen (seit 10 Jahren scheint dies ja ein ganz schlimmes Problem zu sein), bin ich seit gestern Abend wieder Zuhause.




Es ist schwer genau zu sagen, was mir gefallen hat und was nicht, denn die ganze Tagung war für mich voller neuer Erfahrungen und Eindrücke. Was mich zuerst überrascht hat war, dass ich einfach zuwenig Ahnung von den Sachen über die dort gesprochen wurden hatte. Zugegeben, die Themen von denen ich etwas mehr Ahnung habe wurden lediglich angeschnitten, aber trotzdem habe ich im Vorfeld schon gedacht, dass ich etwas aktiver sein könnte. Dann habe ich mir allerdings auch Gedanken darüber gemacht, wer sonst noch so auf der Tagung herumläuft und abgesehen von mir und einem meiner Komolitonen waren, soweit ich weiß kein anderen Studenten auf dieser Tagung. Alle Personen dort waren entweder Doktoranden oder bereits voll ausgebildete Wissenschaftler.
Zu realisieren, dass das Niveau auf dieser Tagung zu großen Teilen einfach zu hoch für mich war um wirklich kompetent auftreten zu können, hat mich bis zum Ende des Freitags beschäftigt. Den Samstag habe ich mich dann vollkommen damit zufriedengegeben einfach nur zuzuhören und soviel neue Informationen aufzunehmen wie ich kann.
Zwar ist die Tagung selbst nicht ganz so gelaufen, wie ich es erwartet habe, doch war es doch eine Erfahrung die ich als enorm wichtig ansehe. Ich habe gesehen, was mich alles noch erwartet, wenn ich den Weg auf dem ich Moment bin weitergehe, ich habe gesehen, was ich noch alles lernen muss um ein wirkliches Verständnis über mein Fach zu gewinnen und was ich aber auch gemerkt habe, war dass ich all diese Sachen wirklich machen will.
Die Tage in Leipzig selbst waren zwar enorm anstrengend, aber ich fühle mich trotzdem irgendwie erholt und richtig motiviert jetzt an meinen Sachen weiterzuarbeiten, damit ich im nächsten Jahr vielleicht selber etwas vorzuweisen habe.
Für die nächsten Wochen habe vor ein paar Dinge hier zu schreiben die ich in Leipzig aufgeschnappt habe, und dann ist da immer noch dieses Ding über australopithecus sediba das ich schreiben wollte und was hoffentlich im Laufe dieser Woche auch kommen wird.
Zum Schluss möchte ich mich an dieser Stelle noch bei Anna Barros und Tracy Kivell bedanken, die während der Postersession am Freitag Abend so nett waren und eine Reihe meiner Fragen beantwortet haben und die Geduld hatten einige meiner etwas merkwürdigeren Ideen anzuhören.

23.09.2011

Eric in Leipzig: Lektionen vom ersten Tag

Tagungen sind, vor allem wenn man noch ein armer, dummer Student ist, vor allem zum lernen da. Folgende Dinge habe ich gestern gelernt:

Lektion 1: Nicht zu geizig sein.
Lieber nochmal 12,50€ für ein schäbiges Bett in einem Achtbettzimmer bezahlen, als die Nacht damit zu verbringen in irgendwelchen Zügen herumzufahren. Ich tat letzteres und hatte daher in der Nacht auf Donnerstag nur eine ganze Stunde Schlaf gehabt, maximal. Dasführt mich gleich zu Lektion 2.


Lektion 2: Niemals mit Schlafmangel einen Kurs über geometrische Morphometrie besuchen.
 Ich glaube, der Kurs war eigentlich ganz interessant und an ein paar Dinge kann ich mich sogar noch erinnern, aber einen großteil der Dinge die gesagt wurden habe ich bereits nach fünf minuten wieder vergessen.

Lektion 3: Mehr Englisch sprechen.
 Ich meine mir einbilden zu können, dass ich Englisch ziemlich gut verstehe, sei es nun gesprochen oder geschrieben. Ich meine sogar sagen zu können, dass ich mich schriftlich relativ gut  auf Englisch verständlich machen kann. Aber sprechen kann ich diese Sprache absolut gar nicht. Das macht das ganze etwas schwierig, wenn man versuchen will irgendwelche klugen Fragen zu stellen und dabei immer einen Brechreiz ob seiner eigenen schlechten Aussprache bekommt.

Dies alles habe ich gestern gelernt, natürlich habe ich auch ein paar anthropologische Sachen gelernt (nichts davon hat allerdings direkt mit der Tagung zu tun), aber das tue ich ja ohnehin ständig.

Ich bin mal gespannt was der heutige Tag so bringen wird.


20.09.2011

Sediba Post: Statusbericht

Ich habe ja gesagt das ich etwas über Australopithecus sediba schreiben wollte und das habe ich immer noch vor. Das Fossil ist wirklich interessant und es ist ein wunderbares Objekt um auch wieder ein paar grundsätzlichere Dinge beschreiben zu können. Dummerweise gibt es zwei Sachen, die mich bislang davon abgehalten haben, etwas zu schreiben:

1. Die Zeit.
Mein Studium hatte mich in den letzten zwei Wochen ziemlich fest im Griff,weshalb ich noch nicht dazu gekommen sehr viel mehr zu machen, als mir die Artikel durchzulesen.

2. Mein Kopf.
Zu allem Überfluss habe ich am Sonntag eine gute Idee bekommen, wofür ich das Fossil noch benutzen könnte. Es gibt da nämlich etwas, was ich schon länger demonstrieren wollte und die sediba Artikel bieten mir das perfekte Demonstrationsobjekt. Allerdings wird es eine Weile dauern, den Post zu schreiben, weil ich eine Reihe von Dingen vorbereiten muss.

Zu allem Überfluss werde ich morgen Abend nach Leipzig aufbrechen, wo ich mir bis Sonntag das Vergnügen gönne auf einer Tagung herumzuspazieren. Rechnet daher nicht damit, dass vor nächster Woche noch irgendetwas sediba-mäßiges kommt. Es ist allerdings möglich, dass ich etwas über die Tagung schreiben werden, falls mir etwas interessantes auffällt.

Wer ein paar weitere Informationen zu Australopithecus sediba sucht und des Englischen mächtig ist, dem kann ich nur diesen Post auf "Lawn Chair Anthropology" empfehlen.

11.09.2011

Australopithecus sediba: Interessante Interviews

Ich hatte noch keine Zeit tiefer in die Artikel zu schauen, habe aber vor dies morgen zu tun. Für Leute die allerdings nicht warten können, gibt es hier zwei Interviews die ganz interessant sind und zudem mit Personen geführt wurden, die wesentlich kompetenter als ich sind.




Science Podcast mit Lee Berger: Hier


Interview mit Lee Berger und Bernard Wood: Dort

09.09.2011

Das Sommerloch ist vorbei!

(Naja zumindest ein wenig.)

Die Dinge laufen machmal doch etwas merkwürdig. Da bin ich mit dieser furchtbaren Arbeit, die mittlerweile zum Glück nicht mehr ganz so furchtbar ist, die mich seit fast einem Jahr beschäftigt, fast fertig. Was bedeutet, dass ich diesem Blog hier wieder die Aufmerksamkeit geben kann die er verdient und schon scheint es sofort interessante Nachrichten zu geben.
Gestern ist in Science einer ganzer Stoß Artikel zu Australopithecus sediba, einem Hominidenfossil was im letzten Jahr entdeckt wurde (und dessen Entdeckung ich damals hier gepflegt ignoriert habe) erschienen. Diese Artikel gehen vor allem sehr detailliert auf die Morphologie des Fossils ein. Ich habe bislgang noch nicht die Zeit gehabt mich tiefer in die Texte einzuarbeiten, werde dies aber im Laufe der nächsten Tage tun und darüber berichten.

Da ich außedem wieder etwas mehr Zeit zur Verfügung habe als in den letzten Monaten, wird es außerdem noch ein paar andere Dinge geben über die ich schreiben möchte, was so viel bedeutet, dass mindestens noch ein weiterer Post kommen wird.