22.10.2009

Mal wieder Ida

Das kommt dabei raus, wenn man versucht ein Fossil vor seiner wissenschaftlichen Diskussion öffentlich zu vermarkten.


Ich darf den beteiligten Personen dazu gratulieren, diversen pseudowissenschaftlich, religiösen Kreisen eine enorme Menge an Munition für ihre bescheuerten Thesen geliefert zu haben.


Hossa!

05.10.2009

Ardipithecus und die Medien (Teil II)

Eines noch zu dem Artikel der FAZ:

Der Autor des Artikels beschreibt im letzten Absatz Lovejoys Ausführen folgendermaßen:

"Spätestens hier dürfte Owen Lovejoy der Widerspruch all jener sicher sein, welche hoffen, die Ursprünge menschlichen Verhaltens durch das Studium von Schimpansen und Bonobos aufklären zu können - bis hinein in Moralvorstellungen. Aber vielleicht sollte man jetzt, wo wir von Ardi wissen, mit Schlüssen vom Schimpansen auf den Menschen noch sehr viel vorsichtiger sein. "Wir können uns nicht mehr auf Homologien, also Ähnlichkeiten aufgrund gemeinsamen evolutionären Ursprungs zu afrikanischen Menschenaffen, verlassen, um unsere Ursprünge zu erklären", schreibt Owen Lovejoy in Science. Denn nicht nur der Mensch hat sich seit der Trennung seiner Ahnenreihe von der des Schimpansen durch eine Fülle einzelner Anpassungsprozesse erheblich weiterentwickelt, sondern auch jene uns vermeintlich so nahen großen Affen. Wir stammen nicht von ihnen ab, sondern von einem Wesen wie Ardi."

Hier irrt der Autor jedoch: Die Kritik wird Herr Lovejoy von denjenigen bekommen, welche seine Paarbindungshypothese nicht teilen. Wie man hier sehen kann, gibt es sogar Primatologen die in Lovejoys Ausführungen gewisse Bestätigung für ihre Arbeit sehen. Interessanterweise beschäftigt sich Frans de Waal sehr viel mit der Evolution von Moral und Empathie, also gerade dem Feld was der Verfasser des Artikels wohl nicht so gern hat.

Zu den weiteren Ausführungen des Autors:
In der Paläoanthroplogie steckt man in einem Dilemma: Man versucht die Evolution des Menschen zu erklären, hat dabei aber lediglich Fossilien zur Verfügung. Fossilien reden aber leider nicht. Wie kann man jetzt also ernsthafte Hypothesen über die Evolution des Menschen und speziell seiner Kognition stellen, wenn man über Fosslilien so gut wie gar keine direkten Rückschlüsse ziehen kann?


Es gibt zwei Wege dies zu tun. Der eine geht über den Vergleich mit unseren rezenten nächsten Verwandten und das sind nunmal die afrikanischen Menschenaffen. Der andere geht über Arten, welche Verhaltensweise zeigen die den unsrigen analog sind, d.h. die diesselbe Struktur haben, jedoch unabhängig von den unsrigen entstanden sind.
Aus diesen Beobachtungen kann man nun schauen, ob man Korrelationen zwischen bestimmten Verhaltensweisen (z.B. der Fortpflanzungstrategie) und dem Körperbau findet. Findet man diese, kann man nun Rückschlüsse auf die Lebensweise von Fossilen Formen machen.
Wie man sicher sehen kann, ist die Reichweite dieser Methode begrenzt, doch ist sie die einzige mit der man sichere und tatsächlich überprüfbare Aussagen treffen kann.


Mit Sicherheit sind bestimmte, aus der Primatologie bzw. Soziobiologie abgeleitete Aussagen sehr gewagt.
Doch muss man, um den Menschen aus biologischer Sicht zu verstehen, auch die Frage stellen welche Ursprünge unsere Moral und unsere Kultur haben und dafür haben wir nunmal nur Schimpansen und Bonobos, da alle phylogenetisch uns näher stehenden Arten ausgestorben sind.
Ich kann mir den Eindruck nicht vernkeifen, dass der Autor des Artikels in den Ausführungen Lovejoys (der selber immer wieder vergleiche zu anderen Tieren in seinem Artikel benutzt hat), eine willkommene Gelegenheit gesehen hat seine persönlichen Ansichten zu den Versuchen von Primatologen das Verhalten des Menschen aus biologischer Sicht zu erklären, in die Öffentlichkeit zu tragen. Dabei hat er (wie bereits erwähnt) jedoch vollkommen außer Acht gelassen, dass dies nicht die primäre Intention Lovejoys war.

Hier zeigt sich wiedereinmal das Problem, wenn Journalisten sich nicht tief genug mit einer speziellen Materie auskennen um sie wirklich kritisch betrachten zu können.
Dies ist vor allem deshalb gefährlich, weil ein großteil der Menschen nicht die Originalartikel liest (bzw. sie verstehen kann) und sich auf die, in Zeitungen und populären Wissenschaftsmagazinen veröffentlichten, Zusammenfassungen stützten. Und wenn diese falsch sind, dann haben auch ein großteil der Leute ein falsches Bild über eine bestimmte Sache.

Ardipithecus und Schimpansen

Angestachelt duch diesen Artikel habe ich mich heute mal etwas näher mit dem Artikel Owen Lovejoys über Konsequenzen des Ardipithecus Fundes für Fragen zum Ursprung des Menschen im Allgemeinen auseinandergesetzt (auf den verlinkten Artikel werde ich nochmal gesondert eingehen).
Owen Lovejoy entwickelte in den 80er Jahren das "Paarbindugs-Modell", das die Bipedie nicht aufgrund spezifischer Nahrungstrategien durch ein veränderteres Paarungsverhalten erklären sollte. Demnach wandelte dich die Lebensweise der frühen Homininen von einer eher promisken zu einer monogamen.
Dieses Modell war schon damals umstritten, da die Monogam lebenden Gibbons keinerlei Sexualdimorphismen zeigen, wohingegen (die angeblich Monogam lebenden) Homininen durchaus sexual dimorph (das heißt, Männchen und Weibchen unterscheiden sich in ihrem Aussehen stark voneinander) waren.
Lovejoy hebt in seinem Artikel unter anderem erneut dieses Modell aus Versenkung.

Kernpunkt seiner Argumentation ist, dass Ardipithecus zeigt das der letzte gemeinsame Vorfahr von Mensch und Schimpanse nicht wie ein Schimpanse oder ein anderer rezenter Menschenaffe aussah, sondern in seiner Gestalt wesentlich ursprünglicher war. Daraus folgert er, dass nur auf dem Vergleich zu großen Menschenaffen fußende Modelle zum Usrprung des Menschen nicht sonderlich tauglich sind um den tatsächlichen Verlauf Evolution des Menschen hinreichend erklären zu können.
Vor allem aufgrund der Eckzähne (die bei Ardipithecus wesentlich kleiner sind als bei Schimpansen und Gorillas) schließt er, dass die Männchen, anders als Schimpansen nicht aggresiv um die Weibchen gekämpft haben, Nahrungsteilung und Koorperation eine wesentliche größere Rolle bei der Partnerwahl eine Rolle spielten. Erneut begründet er die Enstehung des aufrechten Ganges mithilfe dieser veränderten Fortpflanzungstrategie.

Soviel zu seiner Behauptung: Die Frage ist jetzt, wie gut ist sie gestützt?
Interessant finde ich, dass er, wenn es in sein Argumentationsschema passt, darauf aufmerksam macht, dass die afrikanischen Menschenaffen viele ihrer (anscheinend) gemeinsamen Merkmale unabhängig voneinander erworben und das der letzte gemeinsame Vorfahr von Mensch und Schimpanse einen eher ursprünglichen Bauplan hatte. Jedoch geht er, wenn es um die Reproduktionstrategie geht, davon aus, dass die Strategie der afrikanischen Menschenaffen (die Männchen prügeln sich um die Weibchen), die ursprüngliche Form ist.
Ich stelle mir an dieser Stelle nur die Frage, wieso sollte dieses Merkmal nicht auch mehrmals unabhängig voneinander entstanden sein?
Interessanterweise geben Bonobos (die er gepflegt ignoriert) gute Anzeichen dafür, dass die von ihm postulierte "speziell menschliche" Reproduktionsweise, auch bei uns nahe verwandten Arten auftauchen. Bonobos haben einen verdeckten Östrus und auch ihr Sexualdimophismus ist bei weitem nicht so groß wie beim Schimpansen. Es könnte also durchaus der Fall sein, dass die "speziell menschliche" Strategie eher einen ursrünglichen Merkmalszustand anzeigt.
Zudem besitzen fossile Menschenaffen und jüngere Hominidenformen (Orrorin tugenensis, Sahelanthropus tchadensis), auch verkleinerte Eckzähne, was Lovejoys interpretationen von einer Korrelation von Bipedie und Reproduktionsform äußerst unwahrscheinlich erscheinen lässt.

Ich stimme mit Lovejoy überein, wenn es darum geht zu sagen, dass der letzte gemeinsame Vorfahr von Mensch und Schimpanse kein Schimpanse war. Doch teile ich nicht seine Schlussfolgerungen die er aus dieser Tatsache zieht.

Literatur 
Lovejoy, O. (2009). Reeaxamining Human origins in the Light auf Ardipithecus ramidus
Henke W., Rothe H. (1994). Paläoanthropologie. Springer Verlag, Berlin, Heidelberg, New-York.

02.10.2009

Ardipithecus und die Medien

Bevor ich mich auf die wissenschaftlichen Aspekte dieses Fundes stürze wollte ich noch etwas über die Darstellung des Fundes in den Medien sagen.

Wie üblich ist es nicht wirklich berauschend, bei "Nano"  wird behauptet, dass "Ardi" (so wurde das Skelett getauft) der älteste bekannte Vorfahr des Menschen sei.


Mehrere Dinge an dieser Annahme sind nicht richtig. Zum einen gibt es ältere Fossilien die man ebenfalls zu den Homininen zählt, der Unterschied ist nur, dass sie nicht so komplett sind wie das Ardipithecus Skelett. Zum anderen ist noch vollkommen unklar, ob Ardipithecus wirklich ein Vorfahre des modernen Menschen ist.


In den Medien wird häufig der Fehler gemacht, dass man die Evolution des Menschen als eine Art Stufenleiter (der Akademiker sagt auch "Scala naturae" dazu) darstellt, die eine gerade Linie von der ursprünglichsten Form hin zum modernen Menschen zieht. Allerdings gibt es keine solche Stufenleiter in der Natur, jede Art (ob rezent oder Fossil) hat für sich eine spezielle Nische gefunden in der sie sich ausbreitet. Externe Faktoren können dann dazu führen, dass einzelne Populationen dieser Art voneinander isoliert werden, im Laufe der Zeit differenzieren sich diese Populationen dann in neue Nischen aus und neue Arten entstehen. Zusammenfassend heißt das, eine gradualistische (voranschreitende) Evolution ganzer Arten gibt es nicht. Schon allein von dieser Tatsache her, ist die Wahrscheinlichkeit gegeben, dass Ardipithecus, wie so viele andere Homininenformen, kein direkter Vorfahr ist sondern eher, dass wir mit Ardipithecus einen gemeinsamen Vorfahren teilen.


Die wichtige Frage in Bezug auf die stammesgeschichtliche Verwandtschaft von Ardipithecus und dem modernen Menschen müsste vielmehr sein, wann sich die Linien vom modernen Menschen und von Ardipithecus gespalten haben.


Ein Aspekt, warum in meinen Augen Ardipithecus so interessant ist, ist weil man die Frage stellen kann, ob Ardipithecus und die gesamten Australopithecinen nicht möglicherweise eine Schwestergruppe zu den Homininenformen bilden zu denen auch der moderne Mensch zu zählen ist, demnach also nicht in einer direkten Vorfahrenlinie zum modernen Menschen stehen. Für diese Annahme gibt es zwar noch nicht sonderlich viele Indizien, doch sollte man vielleicht diese Möglichkeit in Betracht ziehen.


Ein weiterer Punkt der mich immer ärgert, ist das in diesem Kontext immer der Begriff "missing link" fällt. Aus meinen obigen Ausführen wird bereits deutlich, dass keine Art an sich ein Verbindungsstück zwischen zwei anderen Arten bilden kann. Vielmehr führt dieser Begriff und sein inflationärer Gebrauch dazu, dass eine komplette Wissenschaft ins lächerliche gezogen wird.


Der Beitrag bei Nano endete mit dem Satz "Die Wissenschaft hat viel gelernt." Das stimmt so auch nicht, die Ausführungen der beteiligten Wissenschaftler sind von ihnen aufgestellte Hypothesen, welche zunächst einmal innerhalb der Wissenschaftsgemeinschaft diskutiert werden müssen (und das passiert bereits). Hier werden im Laufe der Zeit sicher einige Aussagen relativiert werden müssen.


Hier ist auch die Gefahr die ich sehe:
Ardipithecus wird momentan als etwas dargestellt, was die Evolution des Menschen revolutioniert und einen Großteil der gängigen Annahmen in Frage stellt. Wenn sich nun aber herausstellt, dass viele der aufgestellten Hypothesen falsch sind, dann heißt dies im Umkehrschluss, dass sich die komplette Paläoanthropologie mal wieder geirrt hat. Diese Ereignisse werden in aller Regel gerne von Personen propagandistisch ausgeschlachtet, die meinen der Mensch sei durch einen magischen Schöpfungsakt entstanden.


Warum wird dies trotzdem immer wieder so praktiziert?
Nun das liegt zum einen an den Medien, die lieber Sensationsnachrichten verkaufen, als ein Thema tatsächlich diskutieren wollen. Zum anderen liegt dies aber auch an den Wissenschaftlern, die sich in eine solche Maschinerie einspannen lassen. So erscheint bereits nächste Woche in den USA eine Dokumentation über diesen Fund. Dies lässt den Schluss nahe, dass erneut (wie schon bei "Ida" im letzten Frühjahr) von den Beteiligten diverse Sachverhalte spektakulärer dargestellt werden als sie letztendlich sind.

Ich finde dies alles sehr bedauerlich, denn in der Tat bietet Ardipithecus viel Stoff für Diskussionen (vermutlich über die nächsten 10-15 Jahre) aber ein einzelnes Fossil war und wird niemals alle Fragen zur Evolution des Menschen klären können und es wäre schön, wenn die Medien dies endlich auch mal so darstellen könnten.


Ich hoffe ich werde in den nächsten Tagen in der Lage sein, darstellen zu können, was genau an diesem Fossil jetzt toll ist und wo die Autoren vielleicht etwas über ihr Ziel hinausgeschossen sind.


Nachtrag:
Warum zum Teufel schaffen die Herren/Damen bei Nano es eigentlich nicht "Antrhopologen" von "Archäologen" zu unterscheiden? Auch in diesem Bericht wird von Archäologen gesprochen, wenn ganz eindeutig Anthropologen die Arbeit gemacht haben.

Was lange wärt...

...wird ganz interessant.

Heute sind in der Zeitschrift Science eine Reihe Artikel zu Ardipithecus ramidus erschienen, eine Homininenform welche vor gut 4,5 Millionen Jahren lebte. Die Verantwortlichen dieses Projektes haben 15 Jahre lang an dieser Sache gearbeitet und das Ergebnis ist zumindest ziemlich umfangreich, besteht doch die ganze Ausgabe von Science nur aus Artikeln zu Ardipithecus.

Die ganze Sache ist ziemlich aufregend, das ist das erste Mal das ich eine solche Geschichte von Anfang an erlebe. Ähnlich wie die Forscher sich mit Ardipithecus Zeit gelassen haben um am Ende einen Umfangreichen Überblick zu liefern, so werde auch ich mir etwas Zeit nehmen und die Artikel genau studieren.

Wer jedoch schon einmal einen guten Überblick über die möglichen Probleme dieser Sache bekommen möchte dem sei der Blog von John Hawks ans Herz gelegt.