18.09.2009

Neues von der GfA: Schluss

Guten Abend,


Ich möchte gar nicht größer über den Verlauf der letzten beiden Tage referieren, sondern sogleich zum Wesentlichen kommen und von der Mitgliederversammlung (die gestern stattfand) berichten:


Eines dazu vorweg, ich bin den Organisatoren dankbar dafür, dass sie zu dieser Versammlung auch nicht-Mitglieder zugelassen haben (wobei einige dies im Nachhinein sicher bereuen).


Ich möchte mich bei den Schilderungen über die Mitgliederversammlung auf zwei Diskussionen konzentrieren, die meiner Meinung nach, das Dilemma in dem die deutsche Anthropologie steckt wunderbar aufzeigt.

Bei der ersten Diskussion ging es um die Umbenennung des „Anthropologischen Anzeigers“, der quasi das Hausblatt der GfA ist. Dieser sollte einen neuen, englischen Titel bekommen um den internationalen Charakter des Journals hervorzuheben.


Die Vorschläge die dazu gebracht hatten teilweise Ähnlichkeiten zu dem Begriff „Eierlegendewollmilchsau“, da sie (verzweifelt) versuchten ein möglichst großes thematische Spektrum widerzuspiegeln ohne irgendeiner Fachrichtung dabei ans Bein pinkeln zu wollen.
Bei einfacheren Vorschlägen, wie z.B. „The Anthropologist“ wurde bemängelt, dass dies aus gendertechnischen Gründen nicht annehmbar sei. Andere Fachgruppen (z.B. die Pädagogen) sahen die Gefahr durch einen zu allgemeinen Titel bestimmte Richtungen zu verschrecken.
Man sollte sich an dieser Stelle mal vergegenwärtigen um was hier gestritten wurde: Die Hauszeitschrift einer biologischen Gesellschaft, deren Aufgabe es ist den Menschen unter streng biologischen Gesichtspunkten zu betrachten, fürchtet darum das andere, nicht biologisch orientierte, Fachgruppen ihrem Journal fernbleiben.
Meine Meinung dazu ist, wenn andere Fachgruppen etwas zu sagen haben, was nicht unter eine streng biologische Prämisse fällt, so hat dies auch nichts im Hausblatt der Gesellschaft für Anthropologie verloren.


Die zweite Diskussion an diesem Abend war, für mich persönlich, mehr als nur bestürzend:
Der Vorstand der GfA fragte bei den Mitgliedern an, wie sich die GfA in der vorherrschenden Debatte zum Kreationismus aufstellen sollte und ob sie, gegebenenfalls, öffentlich tätig werden sollte.
Die Diskussion zu diesem Thema schlug relativ hohe Wellen, als jedoch eine Person den Einwand brachte, dass es in der Schule erforderlich sei, beide, wie sie es nannte, „Vorstellungen“ gleichwertig im Biologieunterricht unterrichtet werden sollten, ist mir beinahe der Kopf geplatzt. Um zu verhindern, dass ich ein Magengeschwür bekomme, habe ich mich daraufhin zu Wort gemeldet (wohl gemerkt, ich bin kein GfA Mitglied) um meine Meinung zu diesem Thema zu sagen, die ungefähr wie folgt lautet:


(Anmerkung: Dies wird hoffentlich das einzige Mal sein, dass ich mich in diesem Blog zum Kreationismus äußern muss, ich finde diese Diskussion eigentlich müßig.)


Man muss sich bei der Diskussion um Kreationismus und Evolutionstheorie, aus naturwissenschaftlicher Sicht, denn darum geht es ja, wenn die Forderung aufkommt die Schöpfungslehre im Biologieunterricht unterzubringen, folgende Frage stellen: Ist die von Kreationisten vorgebrachte „Theorie“ der Entstehung des Lebens durch einen einmaligen Schöpfungsakt tatsächlich eine Theorie?
Wissenschaftliche Theorien müssen an sich nur eine einzige Regel befolgen: Sie müssen widerlegbar sein. Wie kann ich jedoch die Theorie, dass alles Leben auf der Erde durch eine omnipotente, nicht direkt wahrnehmbare, Macht entstanden ist überprüfen? Die Antwort ist ziemlich simpel: Es geht nicht! Darum erübrigt sich jede Diskussion über eine Gleichbehandlung von Evolutionstheorie und Kreationismus im Rahmen der Naturwissenschaften und deshalb hat sie auch nichts im Biologieunterricht verloren. Von mir aus können Schöpfungslehre und andere Dinge im Religionsunterricht gelehrt werden, doch sollten sie auch dort bleiben.

Mit diesem Kommentar habe ich wohl bei einer anderen Person einen Nerv getroffen, denn es wurde der Antrag gestellt, dass doch bitte nur GfA Mitglieder Wortbeiträge vorbringen sollten, dieser Antrag wurde jedoch (sehr lautstark) abgeschmettert.
Letztendlich verblieben die Anwesenden dabei dem Vorstand die Aufgabe zu überlassen einige Dinge zu diesem Thema auszuarbeiten.

An dieser Stelle sollte man sich nochmals ganz ruhig vor Augen führen, was dort passiert ist. In der biologischen Disziplin, die am stärksten in in der Öffentlichkeit steht wenn es um die Evolutionstheorie geht, gibt es Personen die der Meinung sind, dass Kreationismus und Evolutionstheorie (wissenschaftlich) auf einer Stufe stehen!
Zudem sieht man hier das Problem, wenn in einer „Wissenschaft“ zentrale Theorien kaum vorhanden sind: Die Fähigkeit wissenschaftlich zu denken geht ein und verkümmert.
Ich vermute allerdings, dass dieses spezielle Problem auch in anderen Disziplinen der Biologie auftaucht.


Nach der Mitgliederversammlung hörte ich eine andere Person sagen: „Dieses Fass aufzumachen, war ein Fehler.“ Doch ist es das wirklich? Ich denke nicht. Diese Problematik muss diskutiert werden, denn es geht hierbei auch um das Wesen der Anthropologie als ganzes und mit dem Motto „Kopf einziehen“ ist niemandem gedient.

Nach dieser Schilderung möchte ich nun zu meinem Schlusswort kommen:


Zwar gibt es einige hoffnungsvolle Ansätze innerhalb der GfA, doch liefern ein Gros der vorgestellten Studien ein eher dürftiges Bild ab, wenn es um die Einbettung der Evolutionstheorie in ihre Fragestellungen geht. Die interessantesten Vorträge in diesem Kontext wurden von Auswärtigen Personen vorgestellt.
Gravierend ist in meinen Augen auch das nahezu komplette Fehlen der Palöanthropologie (1 Poster) und der Primatologie (1 Vortrag) auf dieser Tagung.
Ich weiß nicht warum dies der Fall ist, doch ist es zwingend erforderlich diese Bereiche zu stärken und auszubauen, will man sie nicht vollständig verlieren.
Alles in allem gehe ich eher mit einer negativen Einstellung aus dieser Tagung heraus, meine an sich schon niedrig gesetzten Erwartungen, wurden an einigen Stellen sogar unterboten.
Allerdings gibt es auch einige Punkte, die zumindest einen kleinen Grund zur Hoffnung bieten.
Ich denke, gerade den jetzt nachrückenden jungen Leuten kommt die wichtige Aufgabe zu, das Bild der Anthropologie in Deutschland so zu verändern, dass sie endlich die in sie gesteckten, hohen Erwartungen erfüllt und endlich den Platz einnehmen kann den sie verdient.

Doch ist es bis dahin ein weiter Weg und er erfordert eine Menge Offenheit gegenüber neuen Ideen und auch gegenüber, vielleicht schmerzhafter, Kritik.

16.09.2009

Neues von der GfA: Tag 2

Guten Abend zusammen,


Der heutige Tag war äußerst wechselhaft.


Eine der interessantesten Punkte an dem heutigen Tag kam in einem Vortrag über Stereotype vor. In diesem machte die Referentin, Johanna Forster, darauf aufmerksam, dass es mittlerweile in bestimmten Kreisen (hauptsächlich für Personalabteilungen) Ratgeber gibt, welche versprechen, dass man anhand typologischer Merkmale des Gesichts exakt die Persönlichkeitseigenschaften ablesen könnte. Dies erinnert in vielen Punkten stark an die Phrenologie, die im 19. Jahrhundert praktiziert wurde. Frau Forster machte auch sogleich darauf aufmerksam, dass es die Aufgabe der Anthropologie sei, diese Aspekte zu bekämpfen. Ferner sehe ich noch bestimmte Befürchtungen von Christian Vogel bestätigt: Durch ein fernbleiben einer konsequenten Umsetzung der Evolutionstheorie innerhalb der deutschen Anthropologie, ist noch immer ein Vakuum vorhanden, in das diese Vorstellungen einfließen und gedeihen können.


Zudem gab es noch von Uwe Krebs ein sehr engagiertes Plädoyer (was ich leider teilweise verpasst habe, weil ich zu spät gekommen bin) darüber, dass die Anthropologie einen größeren Beitrag zur Pädagogik besteuern sollte als bisher. Über die Qualität dieser Beiträge der Anthropologie zur Pädagogik kann ich an dieser Stelle nicht viel sagen, da mir das wissen fehlt. Doch habe ich in der Argumentation von Herrn Krebs einige Dinge wiederfinden können, von denen ich meine, dass die Anthropologie dies tun sollte (wie man hier nachlesen kann).


Nach dieser Sitzung, die am frühen Nachmittag stattfand, ging es jedoch mit meiner Begeisterung bergab. Die Präsentation der Posterbeiträge war äußerst ernüchternd. Bestanden diese doch falls Ausnahmslos aus Fallstudien oder Auszügen prähistorischer Untersuchungen, welche nicht in einer größeren Fragestellung eingebettet sind. Das einzige Poster mit einem Paläoanthropologischen Bezug, ist leider auch von, wie ich meine, eher niedrigerer Qualität. Zudem war es mir nicht möglich, den Verfasser dieses Posters näher zu einige Punkte befragen zu können, so dass ich bis jetzt auch der Meinung bin, dass viele Dinge die er behauptet eher Zweifelhafter Natur sind.


Der Tag wurde von einer Reihe von Vorträgen unter dem Oberbegriff „Facetten der Anthropologie“ beschlossen, diese beinhalteten: Zwei Einzelfallstudien ( der Schädel von Friedrich Schiller und etwas über „Ötzi“), eine, wie ich finde, sehr detaillierte und gute Darstellung von Gisela Gruppe zur Untersuchung stabiler Isotope bei Tierknochen (diese Beschreibung ist eigentlich vollkommen unzureichend, aber mir fehlt die Zeit das genauer auszuführen) und letztendlich einer Darstellung bestimmter Aspekte aus Charles Darwins Werken, welche aufzeigen, wie häufig er bestimmten Fragen vorgegriffen hat.


Auch hier stelle ich mir wieder die Frage, warum an dieser Stelle kein Paläoanthropologe gesprochen hat. Denn die Untersuchung der Evolution des Menschen ist doch schließlich eine der Hauptfacetten der Anthropologie. Ich werfe dies nicht den Veranstaltern vor, doch finde ich die generelle Abwesenheit der Paläoanthropologie auf dieser Tagung äußerst Besorgniserregend.


Soviel für heute, das Programm zu Morgen lässt mich etwas erschaudern, weil mich irgendwie so gar nichts interessieren will, doch werde ich mir die Dinge trotzdem ansehen und so wertfrei wie irgend möglich beurteilen.


Gute Nacht!

15.09.2009

Neues von der GfA: Tag 1


Guten Abend,
Nach einer ewig langen Anreise und einem furchtbar anstrengendem restlichen Montag, nun mein erster Zwischenbericht aus München:
Was schon gestern interessant war zu sehen, dass auch bei den Anthropologiestudenten aus anderen Universitäten Deutschlands ein gewisses Bewusstsein dafür da ist, dass die deutsche Anthropologie in einer recht prekären Lage ist.
Selbiges wurde heute nochmals von Wolf Schiefenhövel (ich hoffe ich habe den Namen jetzt richtig geschrieben) angesprochen. Allerdings, stimme ich, bis jetzt, nicht mit seiner Meinung überein, dass die bei dieser Tagung vorgestellten Themen zeigen, dass die deutsche Anthropologie besser da stünde als ihr Ruf.
Die Bestätigung meines, eher negativen, Eindrucks wurde mir sogleich im ersten Vortrag geliefert, von dem ich der Meinung bin, dass er in seiner hier präsentierten Form, eher auf einem Archäologenkongress vorgestellt werden müsste als auf der Tagung de GfA. Zur Anmerkung, ich kritisiere hier nicht die Qualität des vorgestellten Sachverhalts.
Allerdings gibt es auch einige schöne Dinge zu berichten:
So durfte ich einem Vortrag von Israel Hershkovitz zuhören, der über „darwinistische Medizin“ gesprochen hat. Der Begriff sagte mir erstmal nichts, doch ging es in dem Vortrag darum, die Stammesgeschichtliche Vergangenheit des Menschen bei der Untersuchung nach den Ursachen bestimmter Krankheitsbilder mit einzubeziehen.
Das wichtigste sagte er jedoch zum Schluss seines Vortrages: Er sagte, dass wenn die Anthropologie nicht bereit wäre der darwinistischen Medizin, so laufe sie Gefahr zu einer „Indiana Jones Wissenschaft“ zu werden.
Meine Interpretation dieses Satzes ist folgende: Ist die Anthropologie nicht bereit eine Art „evolutionsbiologische Schnittstelle“ zwischen anderen Wissenschaften einzunehmen, so läuft sie Gefahr auf eine Zuarbeiterwissenschaft für die Archäologie und Geschichtsforschung reduziert zu werden (ein Punkt den man in diesen Tagen in München gut beobachten kann).
Der andere Interessante Vortrag kam von Kornelius Kupczik und befasste sich mit einer sehr interessanten Methodik über die man die Auswirkungen von Stress auf bestimmte Knochenstrukturen darstellen kann. Er stellte dies im Rahmen der Fragestellung vor, ob die großen Überaugenwülste bei vielen Primaten und frühen Hominiden ein Resultat großer Kaudrücke seien. Seinen Untersuchungsergebnissen zufolge trifft dies nicht zu.
So nebenbei war dieser Vortrag wunderbar präsentiert, im Gegensatz zu manch anderem heute.

Ansonsten gabs viel Prähistorisches, wobei sich die Strukturen der Vorträge weitestgehend glichen.
Soviel für Heute, ich bin doch überrascht das es doch zwei Themen gab die mich etwas gepackt haben und ich hoffe sehr, dass es so weitergeht. Morgen trifft sich übrigens der wissenschaftliche Nachwuchs, ein Termin den ich auf keinen Fall verpassen werde und ich bin sehr gespannt, was da so alles erzählt wird.
Bis Morgen!

12.09.2009

Was erwarte ich von der nächsten Woche?

Gut, von welchen Prämissen habe ich in meinem letzten Artikel überhaupt gesprochen?


Im Grunde genommen geht es mir in der nächsten Woche darum zu überprüfen, inwiefern mein hier geäußertes Verständnis der Anthropologie auch tatsächlich in der Realität vorhanden ist.


Dabei möchte ich folgende Parameter ansetzen:


1. Wie stark ist die deutsche Anthropologie noch von typologischen Vorstellungen durchsetzt?
2. Wie groß ist der Anteil evolutionsbiologischer Fragestellungen innerhalb der deutschen Anthropologie?
3. Welche Rolle spielen deskriptive Studien in der deutschen Anthropologie und wie viel Sinn machen sie an den eingesetzten Stellen?
4. Gibt es Bestrebungen die deutschen Anthropologie stärker in der Schnittstelle zwischen Natur- und Geisteswissenschaften zu platzieren als es bislang der Fall war? Und falls ja, wie wird dies versucht?


Ich habe keine große Hoffnung, dass die oben genannten Prämissen im großen Stile umgesetzt werden, dazu fehlen eindeutig die Anzeichen. Was ich jedoch herausfinden möchte ist, aus welchen Gründen dies nicht getan wird.
Hierzu werde ich dann ab nächster Woche jeden Tag meine Eindrücke schildern (Glücklicherweise gibt es einen Wlan Zugang nicht weit von der Jugendherberge entfernt).


Bis dann!

Prähistorische Anthropologie

Vorneweg möchte ich noch eines sagen, dieses Feld gehört nicht wirklich zu meinen Lieblingsbereichen, weswegen mein Wissen dazu auch recht begrenzt ist.


Aber gut, kommen wir nun zum wesentlichen: Ziel der prähistorischen Anthropologie ist es die "Grundsätzlichen Lebensbedingungen und Probleme des Menschen in der Geschichte" darzustellen. Unter diesem Satz kann man ne ganze Menge verstehen, aber was sollte man darunter verstehen und was eher nicht?
Im meinem Studium kam mir unter anderem noch folgende Definition unter: Während in der Paläoanthropologie die Makroevolution des Menschen, also die Evolution hin zu unserer Art, betrachtet wird. Wird in der Prähistorischen Anthropologie die Mikroevolution des modernen Menschen betrachtet. Also im Grunde genommen die biologischen Prozesse denen er seit seines ersten Auftauchens ausgesetzt ist.
Von großer Bedeutung ist hierbei der Punkt, dass man um diese biologischen Prozesse nachvollziehen zu können nicht auf die Individuen achtet, sondern versucht ganze Populationen zu betrachten. Dies wird durch die Untersuchung der Skelettbefunde alter Friedhöfe bewerkstelligt. Wobei an diesem Punkte die Frage wichtig ist, ob die untersuchte Friedhofspopulation tatsächlich eine reale Population repräsentiert. Ohne diesen Vorgang könnte man nämlich keine verlässlichen Aussagen darüber treffen, wie sich diese vergangenen Populationen tatsächlich verhalten haben und welchen Lebensbedingungen sie ausgesetzt waren.


Dies ist jetzt alles ziemlich schwammig, aus diesem Grunde ein kleines Beispiel einer, wie ich finde, guten prähistorischen Untersuchung: Es geht hierbei um die Frage ob die in Mitteleuropa ansässigen Menschen den bereits vor über 10000 Jahren im Nahen Osten praktizierten Ackerbau übernommen haben, oder ob Menschen aus anderen Regionen diesen nach Europa gebracht und die lokalen Populationen verdängt haben.
Wer genauer wissen will wie sich diese Sache verhält sei dieser Artikel zu empfehlen.


Jedenfalls hat diese ganze Untersuchung eine streng evolutionsbiologische Fragestellung: Wurde die lokale Bevölkerung verdängt oder übernahm sie die neuen kulturellen Errungenschaften der Fremden?
Nun gut, auch hier stellt sich die Frage, wie stark die prähistorische Anthropologie im Allgemeinen vom typologischen Arbeiten der Vergangenheit weggekommen ist und sich einer mehr populations-/ bzw. evolutionsbiologischen Richtung angenähert hat.


Im Tagungsprogramm der GfA (Raum 1, Raum 2) finden sich ein paar Titel die eher auf Einzefallbeschreibungen hindeuten, die streng genommen, keine große wissenschaftliche Aussagekraft besitzen. Und auch viele der anderen Vorträge machen auf mich eher einen rein deskriptiven Eindruck, als einen Theoriegeleiteten.
Gut, auch hier gilt: "Never judge a book from its cover". Also werde ich mir das alles Mal ansehen und im Nachhinein entscheiden, wie gut sich die einzelnen Vorträge mit den hier aufgestellten Prämissen decken.

Literatur:
Hermann, B., Grupe, G., Hummel, S., Piebenbrink, H., Schutowski, H. (1990). Prähistorische Anthropologie. Springer Verlag, Berlin, Heidelberg, New York.

01.09.2009

Die deutsche Anthropologie und ihr Theoriedefizit

Wie schon angekündigt, habe ich mich in den letzten Tagen etwas näher mit dem Aufsatz von Christian Vogel "Biologische Perspektiven der Anthropologie: Gedanken zum sog. Theoriedefizit der biologischen Anthropologie in Deutschland" auseinandergesetzt.


Christian Vogel kritisiert in diesem Aufsatz, dass die deutsche Anthropologie, sie seit ihrer Entstehung im 19. Jahrhundert, die Evolutionstheorie nur sehr zögerlich in ihre Definition einfließen lässt. Zwar verwiesen Anthropologen bei der Definition ihres Faches schon immer auf die Evolutionstheorie, doch waren diese Verweise immer so schwammig und weit gefasst, dass noch ein enormer Raum für typologische und narrative Elemente blieb.
Christian Vogel sieht in diesem losen Umgang mit der Evolutionstheorie einen Hauptgrund für die ideologischen Auswüchse des frühen 20. Jahrhunderts, von denen der Sozialdarwinismus sicher das prominenteste Beispiel ist.


An diesem losen Umgang hat sich bis zu dem Zeitpunkt an dem Vogel den Aufsatz schrieb (1982) nicht wirklich etwas geändert, noch immer waren typologische und deskriptive Elemente Hauptbestandteile der Anthropologie. Zwar seien die Analysemethoden wesentlich ausgereifter, doch die theoretische Grundlage würde noch immer fehlen.
In diesem Zusammenhang kommt Vogel dann auf die Soziobiologie zu sprechen, jenem Zweig der Biologie welche versucht das Verhalten von Organismen aus einer evolutionsbiologischen Perspektive zu betrachten, was selbstverständlich auch den Menschen miteinschließt. Doch auch dieser Zug fuhr (zunächst) an der Anthropologie vorbei.
Letztendlich fordert Christian Vogel, dass sich die deutsche Anthropologie sich diesen Herausforderungen Stellen muss um nicht erneut ein Vakuum für Ideologien zu bilden. Hierzu müsste überprüft werden, wie stark sich die Prinzipien der Soziobiologie in die einzelnen Felder der Anthropologie (Prähist. Anthropologie, Demographie, Populationsgenetik, Humanökologie) tragen lassen.


Soviel also zum Inhalt. Doch was hat sich in den letzten 27 Jahren getan?
Ein Blick auf das Tagungsprogramm der GfA zeigt, dass sich auf den ersten Blick nicht wirklich viel passiert ist: Ein Großteil der vorgestellten Arbeiten scheinen deskriptiver Natur zu sein. Das Wort "Evolutionstheorie" kommt so gut wie garnicht vor, dafür aber jede Menge Einzelfallstudien.
Die Soziobiologie hat in Deutschland zwar Fuß gefasst, dank der Arbeit Christan Vogels (der leider mittlerweile verstorben ist), aber auch dank Eckhart Voland. Doch, wie es mit dem einfließen der Soziobiologie, oder etwas weiter gefasst, mit der Evolutionstheorie in die Felder der Anthropologie steht, mag ich nicht beurteilen.
Auf dem ersten Blick scheint es jedenfalls so zu sein, dass sich nicht wirklich etwas Grundlegendes geändert hat. Jedoch fehlt es mir, um dies abschließend beurteilen zu können an Wissen. Vielleicht wurde ja versucht diese Prinzipien in die Felder hineinzutragen und die Leute sind gescheitert? Oder vielleicht haben sie keine Möglichkeiten die nötigen Untersuchungen durchzuführen und sind quasi dazu verdammt Wissenschaft auf einem niedrigerem Niveau betreiben zu müssen. Natürlich kann es auch sein, dass viele der bei der Tagung vorgestellten Themen garnicht so schlimm sind, wie es die Titel vermuten lassen.


Dies sind die Fragen die ich mir stelle und diese Fragen sind der Grund warum ich nach München fahren werde. Ich hoffe sehr, dass ich mich in meinen Annahmen täusche, jedoch habe ich große Zweifel, dass dies tatsächlich passieren wird.


Soviel für diese Woche. Nächste Woche setze ich mich etwas mit der Prähistorischen Anthropologie auseinander, weil ein Großteil der vorgestellten Themen aus diesem Felde kommt. Hierzu werde ich einige Kapitel aus dem Standardlehrbuch für dieses Fach ("Prähistorische Anthropologie" von Bernd Hermann und Kollegen) lesen. Vor allem das Schlusskapitel in dem sich die Autoren den theoretischen Grundlagen ihres Faches auseinandersetzen.


Alles Gute.




Literatur:
Vogel, C. 1982. Biologische Perspektiven der Anthropologie: Gedanken zum
sog. Theorie-Defizit der biologischen Anthropologie in Deutschland. Z. Morph.
Anthrop., 73, 225-236.